Neues Merck-Logo auch für Kinder

Abb. 1: „Freude“! Mit dem neuen, am 14. Oktober 2015 eingeführten Merck-auf-Droge-Logo zurück in die Anfänge der Drogerie-Geschichte oder einfach nur ins kindlich-glückliche Krabbelstubengefühl mit Hüpfburg auf dem Dach – was will uns Merck damit sagen?

 

Merck macht Darmstadt zu seinem Display

Nachtrag: Die Entwicklung geht zügig weiter. Nach Erstellung dieses Artikels stellte sich heraus, dass Merck das geplante Giganto-Display wahrscheinlich nicht bauen kann. Näheres zu dieser und anderen Entwicklungen wird hier zusammengestellt: Merck-Protokoll der laufenden Ereignisse

Von der kleinen Apotheke zum Global Player auf Droge

Jeder Darmstädter weiß, dass die Firma Merck vor knapp 350 Jahren aus einer kleinen Apotheke im Zentrum der damaligen großherzoglichen Residenzstadt erwachsen ist. Die Dimensionen des heutigen Weltkonzerns dürften den meisten hingegen viel unklarer sein (Abb. 1). Gewissheit bestand aber immer darin, dass man auf der zentralen, ganz Darmstadt durchfahrenden Nord-Süd-Achse in jenem nördlichen Abschnitt weit vor der historischen Kernstadt, in dem diese Achse „Frankfurter Straße“ heißt, am Stammsitz der Firma Merck vorbeifährt. Das knapp einen Quadratkilometer große Firmengelände lag um die 100 Jahre lang westlich der Straßenmagistrale, östlich gegenüber waren im Wesentlichen ausgedehnte Parkplatzflächen angelegt.

Diese Flächenordnung verändert sich seit einiger Zeit mit zunehmendem Tempo. Noch zögerlich übernahm man zunächst die eine oder andere neu errichtete Bürofläche in jenem verkehrlich höchst interessant an Regional- und Straßenbahnen angebundenen Zwickel ‚jenseits‘ der Frankfurter Straße, in dem früher einmal die rußig emittierende Chemiefirma Schmidt & Ziegler angesiedelt war. Deren Abwicklung Ende des letzten Jahrhunderts geschah noch vor Verbreitung des Internet und hat deshalb darin keine Spuren hinterlassen. Inzwischen ist dies alte Industriegelände umfassend neu bebaut, voll im Zugriff von Merck und wird von den Firmenstrategen stolz, aber auch abgegriffen modernistisch „Campus“ genannt.

Heute hat Merck den Standort östlich der Frankfurter Straße schätzen gelernt und von den früheren Plänen einer „Norderweiterung“ weitgehend Abstand genommen. Nach aufwändigen Sanierungen des Jakutin-verseuchten Bodens unter dem oberflächig versiegelnden Asphalt begann man 2014 mit einem dreischichtigen Parkhaus, die flächenverschleißenden Stellplatzareale zu konzentrieren. Auf den freigeräumten Flächen entstand 2015 ein „Modulares Innovationszentrum“. Und für all diejenigen, die auch mal in Plänen recherchieren, offenbart sich als nahe Zukunft, dass die gesamten Stellplatzflächen östlich der Frankfurter Straße aufgegeben und mit großformatigen Blöcken der neuen Zentrale des globalen Unternehmens bebaut werden sollen.

Auch auf der anderen Seite, im traditionellen Standort westlich der Frankfurter Straße, tut sich viel. Gebaut wurde dort schon immer, doch auch hier in einem in den letzten Jahrzehnten in stark gewachsenem Umfang, weil die alte, bis zu 100 Jahre alte Produktion sukzessive in neue Gebäude umgesiedelt wurde. Doch nun wird für alle sichtbar die Front erneuert. Ende 2014 begann dies mit dem Abriss der „Pyramide“. Dieser Merck’sche Besucher­empfang erinnerte in aufdringlicher Weise an jene Pyramide von Ieoh Ming Pei, die seit 1989 den Hof des Pariser Louvre fein, transparent, farblich angepasst und modern ergänzt. Hingegen hatte man in Darmstadt nur die Form kopiert, plump (mit einer gewissen Verlegenheitsschräge) in die Enge zwischen historischen Gebäuden gezwängt und mit der damaligen tiefblauen Leitfarbe des alten Merck-Logo versehen (Abb. 2). Gut, dass dies nun weg ist.

Jetzt soll hier ein Platz entstehen, der die freigeräumte Fläche vor dem neuen temporären „Innovationszentrum“ auf der Ostseite nach Westen verlängert, die dann weit zurückgesetzt ins Firmengelände durch ein endgültiges, größeres, insgesamt noch tolleres „Innovationszentrum“ abgeschlossen werden soll. Seit zwei Jahren gibt deshalb Merck die Devise aus: Künftig werden man an Merck nicht mehr vorbei, sondern durch Merck hindurchfahren.

Wie wird der neue Platz aussehen?

Merck hat seitdem immer wieder virtuelle Ansichten der angestrebten neuen Eingangssituation publiziert (Beispiel in Abb. 3). Merkwürdigerweise hat sich noch niemand gefragt (jedenfalls nicht in der veröffentlichten Meinung der lokalen Printmedien, die das als „Grünfläche“ kolportierten – „Echo-Thema“ vom 05.10.2013), was für ein Platz das denn eigentlich werden soll, diese in den Bildern so bläulich glitzernde Fläche. Auch Merck selbst hat das bislang (Stand November 2015) auf der Firmen-Homepage nicht verraten und die städtischen Plan­zeich­nungen, die sich auf die ergebene Adaption Merck‘scher Vorgaben beschränken, schon gar nicht.

Und die aktuellen Bauaktivitäten, die auf der Ostseite abgeschlossen erscheinen, wirken reichlich unspektakulär: Gerahmt von sorgfältig gesetzten Granitrahmen und Gehflächen hat man Rollrasen ausgelegt, also tatsächlich „Grünfläche“ geschaffen,  und darauf das neue verspielte Merck-auf-Droge-Logo in einer unbunten hell türkisen Version gesetzt (Abb. 4).

Irritationen hat bislang lediglich ein Vorstoß ausgelöst, nach dem Merck die Fahrspuren auf der Frankfurter Straße von vier auf zwei (also nur noch eine je Richtung) reduzieren will und diese Restspuren künftig auch nur noch mit Tempo 30 befahrbar sein sollen. Eine solche Eindampfung des Verkehrs auf einer absoluten Hauptstraße mag ‚Grüne‘ in ihren ideologischen Empfindungsresten verzücken, nachvollziehbar ist dies Ansinnen für einen nüchternen Betrachter nicht.

Schauen wir uns zunächst die bisherige Situation an, die sich glücklicherweise noch auf den städtischen Luftbildern gehalten hat (Abb.5):

die Konturen des zukünftigen Emanuel Merck-Platzes auf einem Luftbild der alten Situation

Abb. 5: Nutzungsgliederung von links nach rechts bzw. von West nach Ost innerhalb der weiß überlagerten Konturen des zukünftigen Emanuel-Merck-Platzes – ungefähr ein Drittel darin sind heute noch öffentliche Verkehrsflächen:
Alter Merck-Eingangsplatz mit Pyramide | Geh- und Radweg | Abstandsstreifen zur Straße | vier Straßenfahrspuren (zwei je Richtung) | Grünstreifen | zweispurige Straßenbahntrasse | Grünstreifen | Geh und Radweg | breiter Grünstreifen mit integrierten Fahrradabstellplätzen | ehemaliger Firmenparkplatz Merck (Bildgrundlage: Luftbilder von 2012 im Online-Stadtatlas Darmstadt).

 

Wir sehen den Querschnitt einer großen, wichtigen innerstädtischen Straße mit langer Stadtraumtradition, mit einem breitem Angebot für Fußgänger und Radfahrer auf beiden Seiten, vier Spuren für den motorisierten Verkehr, begleitet von einer im sieben-Minuten-Takt befahrenen zweiggleisigen Straßenbahntrasse, die ganz Darmstadt vom Nordrand Arheilgens nach Süden durchquert und bis an die Bergstraße reicht. Es ist kaum zu glauben, dass all dies im Rahmen der Merck’schen Umgestaltungsvisionen verschwinden soll.

Es kommt aber noch dicker. Nur durch Zufall bin ich auf die von Merck wie Stadt bislang unter dem Teppich gehaltenen Absichten gestoßen, weil ich herausfinden wollte, wer eigentlich für die eigentümlichen Mikadowege im Gelände des Weltkulturerbes Lorsch verantwortlich ist (das ist ein anderes Thema, demnächst vielleicht ebenfalls hier auf ‚homersheimat‘ verhandelt).

Da stieß ich auf ein großes Berliner Büro, dessen Website nach Herunterzählen von „TOPOTEK 100“ auf „TOPOTEK 1“ – letzteres ist der Name des Büros -  zu einer leicht wabernden Waldwiesensituation führt. Die sprachlichen (Projekt)Informationen auf dieser Website unterbieten die Kargheit von Mönchszellen. Wo dennoch Sekundärpublikationen reichhaltig gelistet sind, werden sie in nicht lesbarer Verkleinerung präsentiert. Eine gewisse Ausnahme bildet nur der kurze Abriss zum „Profil“ in dem es u.a. heißt:

TOPOTEK1 versteht sich als Grenzgänger – als Wanderer in den Grenzbereichen verschiedener Genres, Typologien und Maßstäbe. So ist TOPOTEK 1 im Feld der Gestaltung urbaner Freiräume und der Bearbeitung städtebaulicher Themen verwurzelt, unternimmt aber genauso Ausflüge in die Konzeption und Realisierung von Ausstellung und Kunstinstallationen. Die Hybridisierung dieser Themen, die Entnahme und Übertragung von Dingen aus ihrem Kontext in einen andern liegt somit im zentralen Interesse des Büros.

Für diejenigen, denen ein solches planungschinesisches Worthülsendickicht gefällt, mag das hipp klingen. Aber welchen Narren hat Merck daran gefressen? Ist das bereits eine Auswirkung des neuen Merck-auf-Droge-Logos oder wurde dieses Logo gar im Paket von TOPOTEK 1 gleich mitbezogen? Jedenfalls findet sich in der TOPOTEK 1-Projektliste unter der Rubrik „in Bearbeitung“ das Projekt „Merck Innovation Center, Darmstadt“ – hier der direkte Link.

Nachtrag 02.12.2015: Sämtliche Visualisierungen und Animationen auf der TOPOTEK 1-Website zur Planung des Emanuel-Merck-Platzes in Darmstadt wurden mit diesem Tag aus dem Web genommen. Die nachfolgenden Absätze sind also in der Vergangenheitsform zu lesen und bewahren als Erinnerung auf, was im Web keine Spur hinterlassen soll (siehe auch das „Merck-Protokoll zum Umbau der Frankfurter Straße“ auf dieser Website):

Die (sprachlose) Präsentation beginnt mit der bereits aus vielen Merck-Veröffentlichungen bekannten Luftbildimagination des neuen Platzes zwischen den beiden „Innovationszentren“, gefolgt von ein paar Plänen und virtuellen Ansichten.

Interessant ist in der nicht an allen Stellen technisch wirklich einwandfrei funktionierenden Navigation vor allem das kleine Kreuz am rechten Ende der Navileiste, das zu einem Video leitet (ein Klick auf „Filme“ oder auf die nachfolgenden Pfeile bewirkt das nicht).

Dort beginnt unter dem Titel „Merck LED-Screen“ die Offenbarung dessen, was hier eigentlich betrieben wird – statt langweiligem Rollrasen, der wohl zunächst nur die granitgefassten Flächen provisorisch zu füllen und die Gemüter zu beruhigen hat, ein Platz als gigantisches Display. Wie im LSD-Rausch wabern wechselnde Farben und Formen über den Platz – jedoch nur aus der luftigen Höhenperspektive einer Drohne nachvollziehbar und, wie das solche Animationen gerne tun, ohne jegliches Lebewesen darin, alles pointiert artifiziell, technisch.

Eine Ausnahme gibt es (Abb. 6): ein einziges Auto quert im Video den Platz. Halten wir uns nicht damit auf, das auch dies kein Lebewesen ist, dass im schwarzen Innenraum niemand sitzt, und dass dies Fahrzeug auch noch auf dem Fußgänger- und Radstreifen in falscher Richtung gen Norden fährt, lassen wir all dies also großzügig als ‚künstlerische Freiheit‘ ausgeflippter Video-Designer durchgehen, dann bleibt: Offensichtlich soll ein Fahrzeug beim langsamen Queren des Platzes optische Wirbelschleppen in der LED-Fläche generieren, die sich wie eine Bugwelle ausbreiten, hinter ihm herziehen und die visuellen Muster auf der Platzfläche durcheinanderquirlen.

Video-Animation zum Emanuel-Merck-Platz - optische Wirbelschleppe hinter querendem PKW

Abb. 6: Hier wieder ganz im traditionellen Merck-Blau – die ‚Grüne‘ Vision des Zukunftsverkehrs auf der Darmstädter Hauptachse beim Durchfahren der Weltkonzernzentrale von Merck. Ein einsamer Geisterfahrer auf dem Fuß- und Radweg in Gegenrichtung zieht eine optische Wirbelschleppe hinter sich her, die aber niemand genießen kann, weil es in dieser Vision keine Menschen mehr gibt (Blickrichtung Ost, am Platzende das „temporäre Innovationszentrum“, dahinter die noch geplanten Bautengebirge der zukünftigen Konzernzentrale. Screenshot aus dem TOPOTEK 1-Video).

 

Mit diesem ‚Event‘ wollte uns wohl Merck beglücken, wenn 2018 die 350 Jahre seit Gründung der Merck‘schen Stammzelle, der „Engel-Apotheke“ im Zentrum Darmstadts, als Konzernjubiläum gefeiert werden sollen.

Wer bewahrt den öffentlichen Raum?

Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass sich ein Konzern „neu erfindet“, dass er einen verrückten Markenauftritt wagt, dass er offensiv mit seiner eigenen Präsentation – sogar in der wirklichen gebauten Welt – umgeht. All das kann faszinierend, anregend, stimulierend und letztlich im eigentlichsten Zwecksinne auch ökonomisch erfolgreich sein.

Doch all dies ist kein Grund, dass der öffentliche Raum – hier geht es um eine Magistrale der Stadt Darmstadt – von solchen privaten Spielereien okkupiert wird und die dazu Berufenen nicht den Hauch einer Idee entwickeln, wie sie Ihre Aufgabe der Wahrung und Gestaltung öffentlichen Raums wahrzunehmen haben.

Man könnte verschüchtert einwenden, dass Merck die elektronischen Phantasien von „topotek1“ vielleicht nicht wirklich umsetzen will. Merck habe ja bereits Rollrasen ausgelegt und dessen Bewässerung installiert – das will man doch nicht alles in einem Jahr wieder herausreißen?

Aber sicher! Solche Kosten spielen im Kontext der neuen Konzertzentrale eines hipp-bedürftigen globalen Konzerns nun wirklich keine Rolle. Wer’s dennoch nicht glaubt, mag sich das Bauschild zum „Emanuel Merck Platz Ba1 (Ost)“ („Ba1“ meint wohl „Bauabschnitt 1“) hinter dem temporären Innovationszentrum ansehen (Abb. 7). Es zeigt den LED-Flimmerdisplay-Platz. Ebenso ist dieser Platz in die Rahmenplanung der Stadt Darmstadt eingegangen, in der brav nachgezeichnet wird, was Merck vorgibt. Nur über das hin und her der Lokalisierung von Innovationszentrum und Besucherzentrum, die schon in der nachbetenden Darmstädter Presse durcheinander geraten ist, herrscht in den städtischen Plänen ein ähnliches Durcheinander (Abb. 8):

Rahmenplanentwurf der Stadt Darmstadt zum Emanuel-Merck-Platz

Abb. 8: Die städtische Rahmenplanung zeichnet brav ab, was Merck vorgibt, insbesondere den LED-Platz, nur zart unterbrochen von den nicht weiter reduzierbaren Verkehrsstreifen unterschiedlicher Funktion. Nur die Lokalisierung des Besucherzentrums im Westen, also dort, wo das endgültige Innovationszentrum entstehen soll, haben die Adepten noch falsch verstanden. Die neu erfundene „Kleine Frankfurter Straße“ als Zufahrt zum neuen östlichen Firmengelände soll hier übrigens eine größere nutzbare Breite erlangen als die ‚alte‘.

 

Wo Merck seit gut zwei Jahren immer mal ein wenig seine Pläne enthüllt (Abb. 3), plagen sich besorgte Arheilger seitdem mit dem Gedanken, was denn aus ihrer Frankfurter Straße werden wird. Die Stadt Darmstadt, die überall wo‘s nicht stört, mit ihrer „Bürgerbeteiligung“ hausieren geht, hat mit der Bekanntgabe dieses Projekts bis auf den letzten Drücker gewartet. Erst nachdem der Platzausbau auf der Merck-Ostseite so gut wie fertig war und nun die Fortsetzung nach Westen ansteht, reichte man mit Magistratsvorlage vom 06.08.2015 einen Rahmenplan und einen Bebauungsplan-Vorentwurf nach, der all dies legitimieren soll, aber noch lange nicht bestandskräftig ist. Das nennt sich dann (den Gesetzes-Wortlaut verhöhnend) „frühzeitige Unterrichtung der Öffentlichkeit gemäß § 3 (1) BauGB“.

Und erst am 09. September 2015 stellte man im Bauausschuss den Stadtverordneten vor, wie der Verkehr auf der Frankfurter Straße mit lediglich einer Fahrspur pro Richtung in Zukunft zurechtzukommen hat.

Wenige Tage zuvor musste der Oberbürgermeister in einer Image-Rettungsaktion das von der Stadt verfügte weiträumige Parkverbot vor der inzwischen von den Wella-Verhökerern des Ströher-Sander-Ebert-Clans renovierten Merck-Villa zurücknehmen. Die Villenbesitzer hatten mit einem privaten Gutachten die feuerpolizeiliche Notwendigkeit dieses weiträumigen Parkverbots vor ihrer Haustür behauptet … und die Stadt war ergeben gefolgt.

Nun behauptet Merck, mit einem ebenso privat eingeholten Verkehrsgutachten belegen zu können,

Frage- und Antwort-O-Ton auf der inzwischen (Stand November 2015) dahingehend ergänzten Merck-Website zum Emanuel-Merck-Platz:

Werden die Ampeln auf der Frankfurter Straße im Abschnitt zwischen dem Süd-Tor von Merck und dem nördlichen Ende des neuen Platzes bleiben, wie sie sind?

Nein, das Konzept sieht vor, dass eine Kombination verschiedener Fußgängerübergänge insbesondere im Bereich des neuen Platzes für eine Verteilung der Fußgängerströme sorgen soll.

Als ob irgendjemand in der Konzentration der Fußgängerströme ein Problem gesehen hätte, deren jetzt gepriesene Verteilung das Problem eher noch größer machen dürfte. Die zur Legitimierung herangezogene private Verkehrsuntersuchung hat der ‚Grüne‘ OB in diesem Fall nicht kassiert.

Dabei ist das Merck‘sche Verkehrsgutachten offensichtlich nachgeschoben. Es ging Merck nie um einen entspannteren Verkehr vor seinem Haupteingang, sondern es ging den TOPOTEK 1-Planern im Auftrag von Merck darum, so viel öffentlichen Straßenraum wie möglich zu okkupieren, um darauf das Jubiläums-Highlight der LED-Platzstreifen verlegen zu können, so dass der Eindruck einer quer zur Straße durchlaufenden geschlossenen Platzfläche entsteht. Alle sodann bestellten Gutachten und Argumente dienen nur der Sekundierung dieses Zwecks, der austauschbare Jargon wie „Verteilung der Fußgängerströme“ entlarvt dies immer wieder.

Dem politischen Magistrat und seinen angestellten Planern fällt dazu nichts ein. Vielleicht findet sich ja noch ein einfacher Verkehrspolizist, der sich fragt, wie optische Wirbelschleppen im Gefolge durchfahrender PKW mit der Sicherheit im Straßenverkehr zu vereinbaren sind. Denn macht es wirklich einen Unterschied, ob ein Autofahrer durch Whats-Appen beim Fahren abgelenkt wird, oder durch die Faszination optischer Wirbelschleppen auf einem durchfahrbaren Giganto-LED-Display?

Der OB beschränkt sich in der Erwiderung auf die Kritik am Verlust des Öffentlichen Raums darauf, die Bedeutung von Merck für die Ökonomie Darmstadts zu betonen – was ja im Grunde die Kritik nur bestätigt: die ‚wichtige‘ Firma Merck darf eben so etwas. Und die zuständige Bau- und Planungsdezernentin beschränkt sich darauf, bei Spatenstichen gut auszusehen. Das tut sie zweifelsohne. Das sollte aber nicht davon ablenken, wie diese Dezernentin gerade nicht nur den öffentlichen Raum vor Merck, sondern gleich der ganzen Stadt preisgibt. Das mit viel Tamtam in Angriff genommene Projekt eines Masterplans für die Stadt Darmstadt soll ausgerechnet von jenem Mammutbüro und aufkommenden Platzhirsch erarbeitet und „gesteuert“ werden, das schon den Merck‘schen Willen in offizielle Pläne der Stadt Darmstadt umzeichnet: „Planquadrat“ am Darmstädter Hauptbahnhof, im Web unter http://www.planquadrat.com/ ebenso wie „TOPOTEK 1“ mit Flash-Geflacker zu internationalen Engagements präsent, wenn auch nicht ganz so hipp wie bei den Berlinern. Nun Ja, wie soll man auch hipp sein, wenn sich die quadratisch-orthogonale Langeweile, die unsere Städte immer mehr überzieht (siehe auch hier wieder den von „Planquadrat“ verantworteten Rahmen- und Bebauungsplan für Merck) und die unsere Städte in unterschiedslose Gleichförmigkeit verwandelt, schon im Namen niederschlägt.

 

Michael Siebert, Anfang November 2015

 

Weitere Entwicklungen nach Erstellung dieses Artikels werden hier protokolliert: Protokoll der laufenden Ereignisse zum Umbau der Frankfurter Straße.