Gewässer, Basalt, Kelten, Kali

Umschau an Ulster und Werra

Wie gegensätzlich kann Hessen sein! Kommt man aus der brodelnden Rhein-Main-Region in die nordöstlichen Zipfel des Bundeslandes im Grenzbereich zu Thüringen, so gelangt man in eine andere Welt. Zwar finden sich auch hier allerorten die Spuren der großen Investitionsmaschine, die im ehemaligen „Zonenrandgebiet“ Gehsteige mit den ubiquitären roten Betonsteinen erneuert, Straßen verbreitert, historische Fassaden saniert und große Scheunendächer mit Solarpanels überzogen hat. Doch es gibt auch eine Ruhe spendende, sehr naturnahe Landschaft, insbesondere entlang des Ulstertals. Die Ulster blieb in der jahrzehntelangen Abgelegenheit des Grenzlandes weitgehend von Wasserbaumaßnahmen verschont. Sie durchfließt auf knapp 60 km mehrere wertvolle Naturräume der nördlichen Rhön (Hochrhön, Kuppenrhön, Salzunger Werrabergland) und mündet nach diversen Wechseln zwischen Hessen und Thüringen in die Werra.

Geologisch ist die Region durch zwei Phasen des Trias geprägt: dem Buntsandstein und dem Muschelkalk, die jeweils in drei Stufen (unterer, mittlerer, oberer) unterschieden werden. Normalerweise wäre bei diesen alten Sedimenten eine weitgehend eingeebnete Landschaft zu erwarten – wenn nicht in erdgeschichtlich jüngerer Zeit die Rhön von intensivem Vulkanismus nachgerade durchlöchert worden wäre, der sich über die Zeiten des Miozän (vor 23,8 bis 5,3 Mio. Jahren) und Pliozän (vor 5,3 bis 2,6 Mio. Jahren) hinzog. Die vulkanischen Schlote haben die Trias-Schichten durchschlagen und meist auf mehreren Stockwerken Decken gebildet, die der nachfolgenden Erosion besser standhielten. Auf diese Weise markieren die Kuppen der nördlichen Rhön Vulkanschlote, um die herum die diversen Triasschichten von Buntsandstein und Muschelkalk fein säuberlich der Reihe nach anstehen.

Der kleine Ausschnitt aus dieser „Kuppenrhön“ in der geologischen Abbildung zeigt im Zentrum zwei ehemalige Vulkane, den heutigen Öchsenberg im Norden (614 m) und den Dietrichsberg im Süden (668 m), die wie eine „8“ erscheinen. Und wie eine „8“ hat man dann auch einen Wanderweg um diese beiden Vulkane herumgelegt, der sich neben der Landschaft auch dem Thema „Kelten“ widmet und deshalb unter den „Premiumwanderwegen“ der Rhön den Namen „Keltenpfad“ erhalten hat. Natürlich hatten auch hier die Kelten Ringwallburgen errichtet, die allerdings weitgehend dem Basaltabbau zum Opfer gefallen sind.

Auf diesen „Keltenpfad“ hat uns im fernen Trubel des Rhein-Main-Gebiets Thomas F. Klein aufmerksam gemacht, der regelmäßig freitags in der FAZ einen „Ausflug am Wochenende“ vorschlägt. Diese Vorschläge verknüpfen jeweils eine größere Wanderung kompakt mit allerlei historisch-naturkundlichen Hinweisen (zum Keltenpfad: „Als habe Asterix Pate gestanden“, FAZ v. 19.07.2013).

Im Sattel zwischen den beiden Vulkanen hat die Gemeinde Sünna ein Keltendorf rekonstruiert, in dem regelmäßig Veranstaltungen stattfinden. Unmittelbar daneben lässt sich im „Keltenhotel Goldene Aue“ unterkommen und keltisch speisen. Von hier aus kann man sich die beiden Teile des Keltenpfads auch getrennt vornehmen, wenn die insgesamt 18 km am Stück zu lang erscheinen, ferner weitere Wanderziele im Umfeld ansteuern. Mehr zum Keltenpfad in der PDF-Datei „Die Weißen Berge an der Werra“.

Ebenfalls im Sattel zwischen den beiden Vulkanen, oberhalb von Keltenhotel und Keltendorf, liegt die kleine Siedlung Rodenberg. Schon der Name zeigt an, was hier im Mittelalter passiert ist: auf den flacheren, aus der Ebene nicht einsehbaren Hängen des Bergsattels wurde der Wald gerodet und landwirtschaftlicher Nutzung zugeführt. Dabei hat man die Flächen für die sich ansiedelnden Familien hangparallel in schmale Streifen parzelliert, an deren Rändern das Basaltgeröll von den Hängen des ehemaligen Vulkans zusammengetragen wurde. So entstand ein Streifensystem von Lesesteinwällen, auf denen alsbald Büsche und Bäume sprossen. Dies Muster blieb bis heute erhalten. Eine Übersicht lässt sich in Google Earth gewinnen (siehe Abbildung), den Keltenpfad-Rundweg um den Dietrichsberg sollte man – abweichend von der westlich unterhalb ausgeschilderten Route – hierher variieren.

Aus der Naturidylle zwischen Öchsen und Dietrichsberg ist es nicht weit in eine ganz andere Welt: den Kali-Bergbau an der Werra. Jeder, der mal auf der Autobahn A 4 von Bad Hersfeld Richtung Eisenach gefahren ist, wird im Werratal die riesige weiße Abraumhalde aus dem dortigen Bergbau gesehen haben. Neben dieser Halde bei Heringen gibt es zwei weitere: eine bei Unterbreizbach an der Ulster (vgl. dessen Lage in der geologischen Kartenskizze) und eine südlich von Fulda. Diese Abraumverteilung signalisiert bereits, wie weiträumig sich die Salz-Lagerstätten im Untergrund erstrecken. In der Tat befinden wir uns hier in einem der weltweit wichtigsten Bergbaureviere zur Förderung von Kalisalzen, die vor allem als Dünger gefragt sind. Während die noch auf Jahrzehnte geplante Förderung weiterläuft, wurde das Gebiet auch für Besucher gut erschlossen:

Mit dem Museum sollte man anfangen. Leider hat es unter Mittelkürzungen des Landes zu leiden und musste seine Öffnungszeiten reduzieren.

Mehr zu diesem Themenkomplex, u.a. mit einer Einführung in die geologischen Grundlagen an Hand von Dokumenten aus dem Kali und Bergbaumuseum in Heringen, mit Blicken auf den vergangenen Kupferschieferabbau in der Region und die Vulkanszenerie der nördlichen Rhön, in der PDF-Datei „Die weißen Berge an der Werra“.

Besteigung des 'Monte Kali' bei Heringen / Werra

Die Halde ist – entgegen ihres Namens – keine Kali- sondern eine Steinsalz-Halde. Es handelt sich um die zermahlenen NaCl-Rückstände, die bei der Kalisalzgewinnung anfallen. Sie ist bei näherer Betrachtung auch nicht weiß, sondern wird mit der Zeit immer dunkler. Regenwasser löst an der ansonsten fest verbackenen Halde oberflächlich das Steinsalz und wäscht es aus. Dadurch konzentrieren sich Salzbeimengungen aus Ton und Basalt immer mehr auf und färben die Halde dunkler.