Robert Rollinger

Den österreichischen Altorientalisten Professor Robert Rollinger (geb. 1964) verbindet mit dem österreichischen Schriftsteller und promovierten wie habilitierten Literaturwissenschaftler Raoul Schrott (geb. 1964) nicht nur das Geburtsjahr und die Staatsbürgerschaft, sondern auch wissenschaftliche Zusammenarbeit. Als Schrott sich um die Jahrtausendwende mit der Neuübersetzung des mesopotamischen Gilgamesh-Epos befasste, sekundierte Rollinger mit einem wissenschaftlichen Anhang zu dessen Veröffentlichung im Hanser Verlag.

Als nun im Jahre 2005 das nächste Großprojekt von Raoul Schrott – die Neuübersetzung von Homers Ilias – anstand, war Rollinger wieder dabei.

Schon bald hatte sich Schrott bei der Einarbeitung in die Ilias die Frage gestellt, wie denn ein so differenziert ausgearbeitetes, ja sorgfältig komponiertes Werk bislang einfach nur als oral tradierte Erzählung eingeordnet werden konnte. Ein solch komplexer Stoff ließe sich nach seiner dichterischen Einschätzung kaum durch Erzählen über die Jahrhunderte weitertragen. Vielmehr müsse der Ilias, wie wir sie in einer griechischen Version überliefert bekamen, eine schriftliche Ausarbeitung zugrunde gelegen haben, die wiederum Werke in Schriftform zur Grundlage bzw. Vorlage gehabt hatte. Welche Werke könnten das gewesen sein? Und: wo, d.h. in welchem geografischen Kontext, könnten diese Vorläuferwerke dem Verfasser der Ilias zur Verfügung gestanden haben?

Schrott erzählt, er habe Robert Rollinger gefragt, der sich intensiv mit den antiken Kontakten zwischen Orient und Okzident befasst hatte (Homers Heimat, S. 11 f):

Er (Rollinger) machte mich auf Kilikien aufmerksam, wo sich alle diese Kulturkreise überschnitten – wobei er erwähnte, daß es dort auch Hinweise auf Danaer und Achaier gäbe. Meine Neugier geweckt, schob er mir einen Stapel von Arbeiten zu diesem Themenkreis auf den Tisch und lieferte mir so eine erste Orientierung für das, was für mich völliges Neuland war.“

Damit war die Kilikien-These geboren, dass Homer im geografischen Kontext dieser Landschaft zwischen Anatolien und Assyrien zum einen die Kunst des Schreibens erlernt als auch eine solch wesentliche Vorläuferarbeit wie das Gilgamesh-Epos kennengelernt haben könnte.

Robert Rollinger hat meines Wissens diese Schrott’sche Erzählung über den von ihm selbst gegebenen Anstoß nicht dementiert. Er hat aber im Jahre 2011 (zusammen mit dem österreichischen Althistoriker Christoph Ulf) ein Buch herausgegeben, das – man kann es nicht anders sagen – Raoul Schrott schmerzhaft in den Rücken fällt. Schon sein Titel „Lag Troia in Kilikien?“ wird Raoul Schrotts Hypothese nicht gerecht, stimmt vielmehr in den Chor des Schrott-Bashings ein, wie wir es von Leuten wie Joachim Latacz wild tönen hörten.

Ich habe deshalb einen Brief an Robert Rollinger gerichtet, der nie beantwortet wurde: (hier dokumentiert in einer PDF-Datei). Dass ein Typ wie Lakacz, der anfangs ebenfalls Schrotts Arbeit an der Ilias-Übersetzung (im Auftrag des Hessischen Rundfunks) begleitet hatte, irgendwann abspringt, lässt sich noch nachvollziehen, wenn man die Verve seiner Orient-Ressentiments kennengelernt hat. Aber warum Rollinger? Ein Wissenschaftler, dem die orientalischen Wurzeln unserer Kultur kein lästiger Störfaktor sondern erforschenswertes Terrain sind – wieso bekämpft der inzwischen das, was er selbst angestoßen hat?

Ich kann darauf bislang keine Antwort geben und empfehle die Lektüre des Briefs (der auch Raoul Schrott nicht ganz ungeschoren davonkommen lässt) und rege ferner Kommentare an.

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