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Die Festung Karatepe-Aslantaş


Übersicht:


 

1.  Lage und Eigenart der Festung

Raoul Schrott hält die Festung Karatepe-Aslantaş für jene Burg, die Homer als Anschauung für seine Beschreibung der Burg von Troia gedient habe (Homers Heimat, S. 13):

Die Zitadelle von Karatepe... hat Homer ... das Modell für die Beschreibung seines Troia geliefert. Die Anlage dieser Stadtfestung auf einem steilen Hügel über einer Furt entspricht von ihren Toren bis zum Palast der Beschreibung Troias; die dort entdeckten Reliefs zeigen starken griechischen Einfluß, vielen von ihnen lassen sich Stellen der Ilias gleichsam als Bildlegenden daruntersetzen; und auch die erhaltene Inschrift liefert nicht wenige aussagekräftige Parallelen.

Raoul Schrott hat ja allerlei interessante Ideen in seinem Buch aufgeworfen, doch diese Behauptungen sind einigermaßen tollkühn – da sind ihm wohl die (in Kilikien gezüchteten) Rosse durchgegangen und er hat Parallelen sehen wollen, die es wohl nie gegeben hat.

Karatepe-Aslantaş war eine (in ihren größten NS- bzw. OW-Erstreckungen) ca. 360 x 180 m große Burg auf einer nach allen Seiten abfallenden Bergnase. Die Hänge fallen nach Südwesten und Osten ab Festungsmauer besonders steil ca. 100 m zum Pyramos-Fluss bzw. einem westlichen Zulauf hinab (vgl. Abb. 1). Auch die ‚Landbrücke‘ nach Westen liegt (vom Südtor her gemessen) noch immer ca. 50 m tiefer. Auf dieser Bergnase ist somit kein Raum für eine „Stadt“, deren „Stadtfestung“(Schrott) die Burg  gewesen sein könnte (und es wurden auch – anders als in Troia an den Darda­nellen – keine der Burg vorgelagerte Stadtstrukturen archäologisch nachgewiesen).

Die Tore von Karatepe-Aslantaş können schon deshalb nicht denen Troias entsprechen, weil Homer die iliadischen Tore gar nicht genauer beschrieben hat. Die Tore von Karatepe sind aber etwas ganz Außerordentliches – schon von ihrer Wehrkonstruktion her, vor allem aber durch die in Stein gemeißelten Bildwerke und Inschriften, mit denen sie an den Innenwänden ausgekleidet waren. Allein wegen dieser beiden Tore ist Karatepe eine Reise wert! Hätte sich Homer diese Bauten als Vorbild genommen, so hätte er wohl deren Konstruktion und Ausgestaltung rühmen müssen, denn so etwas kann man gar nicht übergehen.

Es ließe sich auch eine gegenläufige Argumentation konstruieren: Wenn Homer ein Schreiber in assyrischen Diensten war, ‚durfte‘ er die Bildwerke der Gegner nicht verherrlichen und habe deshalb das Großartigste an der Karatepe-Anlage nicht erwähnt. Aber das wäre wohl sehr „konstruiert“.

Die Bildsprache der Reliefs in den Toranlagen ist auch nicht „griechisch“ geprägt, sondern – wie Schrott dann selbst an allerlei Beispielen demonstriert – einerseits orientalisch/ägyptisch, aber auch hethitisch. Auf diese Bilder und die eingeschlossenen Texte soll noch an anderer Stelle genauer eingegangen werden (Die Bildwerke von Karatepe-Aslantaş und: Die Bilingue von Karatepe-Aslantaş).

Schließlich kann auch der Palast von Karatepe-Aslantaş nicht mit den Darstellungen der Ilias zusammengebracht werden. Homer beschreibt den Palast des Priamos im Sechsten Gesang nur in einer Parenthese, wo es eigentlich um den Eintritt Hektors („er“) auf dem Weg zu seiner Mutter geht (VI.242 ff)

Als er jedoch zum prächtigen Haus des Priamos hinkam,
Dem mit glatten Hallen gebauten – aber im Innern
Waren fünfzig Gemächer aus glatt behauenem Steine
Nah aneinander errichtet; es pflegten des Priamos Söhne
Immer darinnen zu schlafen zur Seite der Ehegemahlin.
Aber den Töchtern waren zur anderen Seite im Hofe
Zwölf überdachte Gemächer aus glatt behauenem Steine
Nah aneinander errichtet; dort pflegten immer zu schlafen
Priamos' Schwiegersöhne zur Seite der würdigen Gattin –,
Da trat ihm entgegen die gütig gebende Mutter,  ...

Wir hören hier – abgesehen vom Hinweis auf das „prächtige Haus“ und die angewandte Quader-Bautechnik – lediglich von 50 Räumen für die Söhne und 12 für die Schwiegersöhne nebst Gemahlinnen, nicht einmal etwas über die Räume des Königs Priamos selbst. Schon die Raumzahl für Priamos‘ Nachkommen lässt sich im Palast von Karatepe-Aslantaş nicht darstellen (Abb. 2).

Am Rande: Bei Homers kurzer Palastbeschreibung geht es eigentlich um etwas ganz anders, was der an matriarchalischen Strukturen in den frühgeschichtlichen Gesellschaften des griechischen Raums arbeitende marxistische Althistoriker George Thomson herausgefunden hat. Homer beschreibe – „obgleich er den Sinn nicht begriffen hat“ – eine „matriarchalische Endogamie, durch die die Söhne in die Lage versetzt sind, sich die Nachfolge durch die Ehe mit den Schwestern zu sichern. Dass das in der Stadt des Priamos die Regel dargestellt hat, erweist die Anordnung seines Palastes“ (Thomson 1960, S. 354).

Gleichwohl war der Palast von Karatepe-Aslantaş eine eindrucksvolle Anlage.  Er stand auf der Kuppe der Bergnase und maß etwa 54 x 43 m, was ungefähr – damit man einen nahen Vergleich hat – einem knappen Viertel der Grundfläche des Reichstagsgebäudes in Berlin entspricht (Abb. 2) Zusammen mit angrenzender Kaserne und südlicher Toranlage mit Depot nimmt dieser Teil der Festung in etwa die Fläche des Reichstagsgebäude ein:

 

Größenvergleich von Karatepe mit dem Reichstagsgebäude in Berlin

Abb. 2: Links der (historische) Erdgeschossgrundriss des Reichstagsgebäudes in Berlin, rechts ein Ausschnitt aus der Kartierung der Burg Karatepe-Aslantaş, jeweils gleicher Maßstab. Der Aslantaş -Palast („Fürstensitz“) nimmt etwas weniger als ein Viertel der Reichstagsgebäudefläche ein.

 

Die Burg Karatepe-Aslantaş liegt ausgesprochen versteckt tief im Tal des Pyramos, hinter einer nach Süden zur kilikischen Ebene hin höher aufragenden Bergkette, durch die sich der Pyramos, steile Schluchten bildend, hindurchgeschnittenn hat. Auch hier sehen wir die in der Frühgeschichte häufig anzutreffende zurückgenommene Ortswahl für einen Herrscherpalast, der verdeckt durch umliegende Hügel und entfernt von Küste und landwirtschaftlichen Produktionsflächen angelegt wurde (weitere Beispiele für eine solche Platzierung sind – über eine lange Geschichte hinweg –die neolithische Anlage von Filitosa auf Korsika,  der minoische Palast von Knossos auf Kreta, oder das bronzezeitliche Enkomi auf Zypern). Die wahren Herrscher müssen sich nicht – unnötige Angriffe riskierend – hoch oben über dem Meer präsentieren, wie das Wolfgang Petersen mit dem Troia in seinem gleichnamigen Film getan hat.

Und ein ‚wahrer Herrscher‘ war jener Azatiwata, König von Karatepe-Aslantaş und „Wesir des Baal“, fürwahr. Dies geht eindrucksvoll aus den Inschriften überall in den Toranlagen hervor, die seine Taten und seine Größe in geradezu pharaonischer Dimension preisen.

Die Lage dieser Festung war so abgelegen, dass sie erst 1948 entdeckt wurde. Die junge türkische Archäologin Halet Çambel im Team des als Karatepe-Aslantaş-Entdecker und Ausgräber geltenden (Nazi-affinen) Helmut Theodor Bossert hat dies anschaulich beschrieben: Es gab damals noch keine asphaltierten Straßen, sondern nur schlammige Feldwege, auf denen der Expeditionslastwagen immer wieder steckenblieb. In diesem Gelände hörten sie seitens einhei­mischer Dorfbewohner von einem „Löwenstein“ – türkisch Aslantaş – den sie schließlich in der im Wald versteckten Festung fanden. Er gab nun der Anlage in Abgrenzung zum nahen Dorf Karatepe den Namen „Karatepe-Aslantaş“. Und „Löwensteine“ fand die Exposition gleich mehrfach: Es handelte sich nämlich um ursprünglich stattliche Portallöwen, die an mehreren Ecken der komplexen Toranlagen positioniert waren und  nun weniger ausgegraben, als vielmehr aus weit verstreuten Trümmern zusammengesetzt und rekonstruiert werden mussten. Die Zerstörung, die diese Burg- und Palastanlage erlitten hatte, war auch mit einer weiträumigen Verstreuung der Bildwerke-Trümmer  einhergegangen. Einige Stücke fanden sich sogar vergraben, etwa Hände und Arme der Baal-/Wettergott-Statue hinter dem Südtorkomplex, die nur zufällig bei Schachtungen für die Gründung eines Schutzdachpfostens gefunden wurden (Karatepe-Bildwerke S. 48). Die Zerstörung der Anlage wird einem der assyrischen Bestrafungsfeldzüge nach Kilikien zugeordnet, dem Feldzug des Asarhaddon von 677 (Karatepe-Bildwerke S. 141). Die Assyrer haben ganze Arbeit bei der Vernichtung der Bildwerke mit ihren offenbar missliebigen Darstellungen geleistet, sie zertrümmert, die Trümmer weit zerstreut, damit deren kulturelle Botschaft ein für alle Mal ausgelöscht würde.

 

2. Der Werkstoff der Relief-Kunstwerke

Die Bergnase, auf der Karatepe-Aslantaş steil über dem Fluss aufragt, besteht aus Kalkstein. Aus Kalkstein sind auch die Befestigungsanlagen der Burg, bzw. präziser: die Fundamente und Sockel ihrer Mauern und Türme gefertigt (der darauf aufgesetzte Oberbau war aus gebrannten (?) Ziegeln gemauert, ist inzwischen verwittert oder wurde von den Ausgräbern abgetragen. Anders jedoch die Felsplatten (Orthostaten) mit den Reliefs und Inschriften, die entlang der Innenwände der beiden Toranlagen aufgestellt worden waren: Ihr Material ist Basalt, zudem ein „dichter, nicht blasiger Basalt von bester Qualität.“ (Karatepe-Bildwerke S. 13).

Natürlich haben sich die Ausgräber umgesehen, woher die Handwerker Azatiwatas die Basaltplatten für ihre Kunstwerke geholt haben könnten. Deshalb ein kurzer Blick auf das geologische Umfeld von Karatepe (Abb. 3).

Die Bergnase von Karatepe könnte gerade noch das nördlichste Ende der hier erhalten gebliebenen alten Scholle von Sedimentgesteine aus der Oberen Kreide sein. Eine genaue Nordgrenze der in der Abb. 3 hellgrün gezeichneten Kreideformation c2 lässt sich aus der groben geologischen Kartierung der IGM 1500 nicht ableiten. Diese Zuordnung des Karatepe-Bergsockels zur Kreidescholle wäre aber plausibler als die Einordnung des Bergsporn in die sich sodann nördlich anschließenden jungen, offenbar weicheren, weil stärker abgeschliffenen  marinen Sedimente des Pliozän (5,3 bis 1,8 Mio. Jahre), die dann den flacher modellierten Hang nach Norden ins Pyramos-Tal bilden, auf dem der Zugangsweg zum Nordtor von einer Furt im Pyramos-Fluss heraufziehen konnte (die Furt ist heute vom Stausee überspült).

Ein Magmatismus, der mächtige Lagen eines von den Bildhauern benötigten hochwertigen homogenen Basalts liefern konnte, ist aus Abb. 3 im Umfeld von Karatepe nicht zu entnehmen. Die Karte zeigt lediglich die große Fläche jungen basaltischen Magmatismus‘ (lila mit „B-qp“), mit der sich die geologische Exkursion zur Burg Toprakkale und ihrem Umfeld befasst (siehe dort über den Link). Die dortigen magmatischen Gesteine lagen aber als Liefergebiet für Baumaterialien zu weit weg.

Eine genauere Kartierung im Nahbereich zeigt jedoch gleich mehrere Basaltfelder im näheren Umfeld von Karatepe. Abb. 4 gleicht deren Kartierung in Karatepe-Bildwerke S. 13 mit der bereits zu Toprakkale herangezogenen Kartierung von Bulut 2008 ab:

Basaltflächen im Raum Karatepe

Abb. 4: Rechts oben eine Übersichtskizze zur Türkei mit Eintrag von Karatepe östlich von Adana, drumherum die Kartierung der Basaltflächen südlich und östlich von Karatepe aus Karatepe-Bildwerke S. 13 (hier blass blaugrau), rechts unten für einem etwas größeren Geländeausschnitt die i.W. übereinstimmende Kartierung bei Bulut 2008 (graue Flächen).

 

Die Basaltfelder südöstlich von Karatepe sind schon etwas älter als jener sehr junge Vulkanismus um Toprakkale. Man datiert sie ins Pliozän, die letzte Epoche des Tertiärs zwischen 5,3 und 1,8 Mio. Jahren. Auch dieser Basalt dürfte aber als Magma an Bruchkanten in der Erdkruste entlang der großen Störung aufgestiegen sein, die sich von Südwesten parallel zum Golfs von Iskenderun bis in den Raum von Karatepe hinaufzieht (deren Darstellung unterschiedet sich aber zwischen den Abb. 3 und 4).

Die Karatepe Ausgräber gehen davon aus, dass die Basaltplatten vom nächstgelegenen Vorkommen auf der anderen Pyramos-Seite an der Lokalität „Domuztepe“ beschafft wurden (siehe auch dessen Lage in Abb. 1 bzw. 4 südlich von Karatepe Aslantaş gegenüber auf der anderen Flussseite). Diese Herkunft sei zum einen durch die Analyse von Proben bestätigt worden, ferner hätten sich dort Abbauspuren gefunden und entlang des Wegs durch die ehemalige Furt lagen grob oder nur leicht bearbeitete Basaltblöcke wie Wegmarken von Domustepe zur Festung Karatepe als Reste eines Transportes von Basaltblöcken über den Fluss. [Warum sind diese Blöcke dann aber liegengeblieben? Stand noch ein Ausbau der Bildwerke an, der durch eine Eroberung und Zerstörung unterbunden wurde?].

Die Basaltfelder um Karatepe wurden bereits in der Eisenzeit bis in römische Zeit abgebaut. Man hat aus dem Material Skulpturen, Stelen, Ölpressen, Getreidemühlen, Wannen, Schalen sowie Handmühlen und Mörser gefertigt.

Lediglich die an die 3 m hohe Statue des Baal als Wettergott, die hinter dem Südtor aufgestellt war (und heute wieder ist), passe nicht zum Herkunftsgebiet Domustepe, ihre Herkunft ist noch ungeklärt. Dieser Ort Domustepe ist i.Ü. ebenfalls archäologisch interessant! Wegen des Stausees kommt man jedoch nicht mehr so einfach dorthin. Auch gibt es keine touristische Erschließung durch Straßen etc.

 

3. Die Torbauten

Die Festung besitzt lediglich zwei Tore, die auf den Verlauf des Pyramos-Tals ausgerichtet sind und (ohne die heutige Baumvegetation) weite Blicke über das Flusstal nach Norden wie Süden ermöglich(t)en. Aus dem Nordtor konnte man über den dort etwas flacheren Hang zu einer Furt im Pyramos absteigen (heute vom Stausee überschwemmt), vor dem Südtor knickt der Weg hingegen sofort nach Nordwesten ab und hatte wohl den schmalen Sattel angesteuert, der die Festung mit dem westlichen Hügelland verband. Raoul Schrott vermutet einen funktionellen Zusammenhang zwischen der Festung Karatepe Aslantaş und der Stadt Hierapolis Kastabala[hier wird noch ein Link folgen], die über diese Wegeverbindung zu erreichen gewesen wäre.

Die beiden Tore zeigen eine in den Grundzügen gleiche, aber nicht baulich identische Konstruktion (Abb. 5). Die eigentlichen Toranlagen bestehen aus einem Vorraum, gefolgt von einem zentral durchschrittenen inneren Raum, der sich so in Kammern rechts und links der Torgasse gliedert. Die Archäologen haben Bezeichner festgelegt, die angesichts der komplexen Raumausstattungen zur Orientierung noch wichtig sein werden: N für Nordtor, S für Südtor, V für Vorraum, K für Kammer, l für links (in Gehrichtung in die Festung hinein), r für rechts (dto.). Somit identifiziert beispielsweise „SK r“ die rechte (südöstliche) Kammer des Südtorkomplexes.

Vor jede Toranlage ist jweils eine ‚Zange‘ geschaltet, so dass die Tore nicht axial, sondern nur von der Seite her, tangential zur Hauptbefestigung – und damit von dieser herunter gut zu verteidigen – betreten werden konnten. Am Nordtor war diese Zange durch einen mächtigen vorgelagerten Turm und ein verstärktes Mauergelenk hergestellt, um die ergänzend eine untere Mauer herumführt. Vor dem Südtor stand ebenfalls ein Turm, an den sich nach Südosten die tangential versetzte Hauptmauer und nach Nordwesten ebenfalls eine zweite untere Mauer anschloss. An beiden Toren ergab sich durch die Duplizierung der Mauern somit auch noch eine Zwingersituation. Über dem Tor selbst erhob sich im Süden wie Norden ein weiterer Turm (so jedenfalls die Rekonstruktionsüberlegung in Hethiter 2002, S. 213).

Demgegenüber nehmen sich die Tore des an den Dardanellen ausgegrabenen Troias viel bescheidener aus. Sie sind jeweils nur durch einen Turm gesichert, wobei der Turm zum sehr einfach gestalteten Zangen-Osttor etwa 40 m südlich von diesem Eingang stand und eher in den Rhythmus der mauerverstärkenden Türme gehört (Abb. 6).

Vorbilder für die Aslantaş-Festung finden sich deshalb ganz woanders, nämlich in den südlich benachbarten vorderasiatischen Gegenden der Levante und dort in frühisraelischen Anlagen:

Noch 2000 habe ich eine solche Torsituation mit Ausweisung als Festung des Königs Salomon vorgefunden: „Northern Gate King Solomons Period (970 – 930 B.C.)“. Dieses Haupttor in der Befestigungsanlage von Megiddo hatte gleich drei Kammern auf beiden Seiten des Tordurchgangs (Abb. 7).

Inzwischen deutet man diese prächtige Anlage nicht mehr gar so geschichtsüberhöhend zugunsten des Volkes Israel. Die Archäologen  Israel Finkelstein und Neil A. Silbermann datieren dies Mehrkammertor nun deutlich später in das 7. Jahrhundert. Es entstand als Differenzierung eines Einkammertors, das genau in jene Zeit passt, in der auch die Karatepe-Torbauten entstanden sind, nämlich in die Zeit des (von der Bibel verfemten) „Omriden-Königtums“ Israels.

Geoposition des Ausgrabungshügels von Megiddo Israel. Ähnlich auch das Tor der Festung von Tel Hazor, Geoposition: Tel Hazor Israel

Diese Omriden-Dynastie wurde 884 (v.u.Z.) von einem ehemaligen israelischen General namens Omri begründet, der Samaria als seine Hauptstadt ausbaute (dazu und zum folgenden: Finkelstein/Silbermann 2002 S. 188 ff). Die Omriden konnten insbesondere unter Omris Sohn Ahab ihr Reich von Damaskus im Norden über das gesamte westjordanische Bergland bis ins südliche Moab ausweiten und sogar die Armee eines der größten  assyrischen Herrscher Salmanassar III. (858 bis 824; der auch in Kilikien in der Aufstands­bekäm­pfung engagiert war) zurückschlagen (S. 197).

Mit den Festungsbau-Vorbildern der Omriden hatte Azatiwata den Nachbau eines festungstechnischen ‚Erfolgsmodells‘ gegen den gleichen assyrischen Gegner versucht (Abb. 8), wenngleich es in seinem Fall gegen die Assyrer nicht gereicht hat (s.u.):

Torisometrien Megiddo Israel

Abb. 8: Zwei Isometrien des Südtors von Megiddo. Links das ältere Tor mit ausladender Zange, noch keinem Vorraum und einem Kammerpaar aus der Omriden-Zeit des 8. Jahrhunderts, rechts dessen Ausdifferenzierung im 7. Jahrhundert (ehemals als „Salomonisch“ gedeutet): Vorraum und Kammerpaar in der Zange, weiterer Vorraum und drei Kammerpaare im eigentlichen Tor (nach Finkelstein/Silbermann 2002 S. 208, 203)

 

Die Parallelen und Übereinstimmungen zwischen den Torbauten in Karatepe-Aslantaş und Megiddo (dort ferner und ähnlich Samaria und Tel Hazor) sind ‚erschlagend‘ bis in die Details:

Obwohl die Bildwerke und noch mehr die Inschriften in jener luwischen Sprache, die im Hethiterreich gesprochen wurde, auf einen engen kulturellen Zusammenhang mit dem hethitischen Reich verweisen, findet sich im hethitischen Festungsbau noch kein Vorbild für die Konstruktion dieser Torsituationen, wohl aber Vorläufer (etwa das Königstor von Hatussa, vgl. Hethiter 2002, S. 207 in Rekonstruktion und Grundriss). Das ist aber auch kein Wunder, weil das hethitische Reich bereits seit 500 Jahren untergegangenen und danach in Kleinkönigtümer zerfallen war. Umso erstaunlicher ist die ‚Haltbarkeit‘ der luwischen Sprache, wie sie sich in den Inschriften zeigt.

 

4. Datierung der Anlage

Über ein halbes Jahrhundert hinweg sind immer wieder Versuche unternommen worden, aus einer Vielzahl von historischen, paläographischen, stilistischen und sprachlichen Aspekten eine Datierung der Bildwerke  und Inschriften abzuleiten, mit denen die beiden Toranlagen ausgestattet waren. Halet Çambel, die bereits bei der Entdeckung der Anlage 1946 dabei war, hat diese Diskussion 2003 vorläufig abschließend noch einmal sehr präzise und mit dem gesättigten Wissen ihrer mehr als ein halbes Jahrhundert währenden Befassung mit dem Thema aufgearbeitet (Karatepe Bildwerke 2003, S. 141 ff). Die Burg mit diesen Bildwerken hatte nur eine kurze Lebenszeit:

Es wurde bereits gesagt, dass die Anlage im Zuge eines assyrischen Feldzugs von 667 zerstört worden ist. Dabei wurden die Bildwerke und Inschriften zertrümmert, weit verstreut und zum Teil sogar vergraben. Ihre Rekonstruktion war auch deshalb nur im erreichten Umfang möglich, weil der Burgberg aus Kalkstein besteht und die Trümmer-Fragmente aus dem Bildwerke-Basalt somit im Gelände einfach zu identifizieren waren.

Das Erstellungsdatum der Bildwerke und Inschriften – und in diesem Zusammenhang auch der Torbauten – grenzt Çambel nun auf die Zeit nach 705 ein, das Todesjahr des assyrischen Herrschers Sargon II. Denn danach begann eine Schwächephase des assyrischen Reichs, in der sich der Herrscher Azatiwata im kilikischen Raum entfalten konnte.  Wenn er die Ruhmestaten, die in seinen Inschriften verkündet werden (vgl. dazu die Leseabschrift in: Die Bilingue von Karatepe), tatsächlich vollbracht haben sollte, hätte er dazu nur wenig Zeit gehabt. Çambel „gibt ihm dafür einen Zeitraum von 10 Jahren“ (S. 144), so dass wir im Jahre 695 landen – gerade mal knapp 30 Jahre vor der Zerstörung. Azatiwata hat die Zerstörung wohl nicht selbst miterlebt. Denn „separate Inschriften“, die kurz vor der Zerstörung angefertigt worden sein müssen, nennen ihn der dritten Person, statt wie in den Haupttexten in der ersten.

Von andren Autoren war auch eine frühere Datierung ins 9.Jahrhhundert erwogen worden. Für eine solche Einordnung sieht Çambel aber nur Anhaltspunkte in einer anderen nahen Anlage, nämlich der auf dem Domuztepe  über dem Steilhang auf der anderen Seite des Pyramos (Abb. 10), der schon seit prähistorischer Zeit besiedelt war und von späthethitischer bis in die römische Zeit immer wieder Bautätigkeit gesehen hat. Der Hethiter-Katalog resümiert, hier haben sich „Reste monumentaler Gebäude und Skulpturen einer früheren Zeit, wahrscheinlich des 9. Jahrhunderts“ gefunden (Hethiter 2002, S. 58).

Çambel hält es für möglich, dass diese Anlage in einem früheren Kilikien-Feldzug der Assyrer unter Salmanassar III. (858 bis 824 v.u.Z.) zerstört wurde... der noch an den Festungen der Omriden in Israel gescheitert war (s.o.). Vom Domuztepe stammte jedenfalls der Basalt für die Bildwerke und Portalfiguren auf dem Karatepe. Mit diesem Basalt wurden offensichtlich schon vor der Karatepe-Anlage Bildwerke auf dem Domuztepe erstellt, so dass sich dieser Berg als Vorläufer von Karatepe-Aslantaş erweist. Vielleicht sind ja die kilikischen Herrscher nach der Zerstörung der Domuztepe-Anlage durch die Assyrer auf den Karatepe ‚umgezogen‘, weil dieser schon von seiner Topographie her besser zu befestigen war (vgl. auch die kurze Behandlung dieses Fundorts, seiner baulichen Strukturen und der dortigen Bildwerke in Karatepe Bildwerke, S. 153 ff nebst Tafeln 224 bis 232).

Jedenfalls scheint der Domuztepe - und nicht der Karatepe Aslantaş - an dieser Stelle Siedlungskontinuität zu repräsentieren, und zwar für einen sehr langen Zeitraum.