Sardinien

Nach Zypern, Korsika und den Kykladen hat im Herbst 2016 auch die zweitgrößte Insel im Mittelmeer einen Platz auf homersheimat.de erhalten. Dieser Einstieg erfolgt mit besonderem Focus auf der Subregion Marmilla im Zentrum Südsardiniens. An ihrem Beispiel werden hier Aspekte der frühgeschichtlichen Nuraghenkultur vorgestellt. Zunächst eine Übersicht:

Die Beiträge dieser Website im Sardinien-Kontext:

Sarden und Shardanen

Die vorstehend aufgelisteten Einstiegsbeiträge folgen einem Erkenntnisinteresse, das mit dem Thema „Seevölker“ zusammenhängt, einem Schwerpunktthema auf dieser Website (vgl. in der Hauptnavigation: „Themen > Seevölker“). Eins der Völker unter jenen in den ägyptischen Quellen dargestellten Angreifern über Land und von der See wurde als „Shardanen“ bezeichnet. Schnell waren Interpreten bei der Hand, die darin „Sarden“, also Vorfahren der Bewohner des heutigen Sardiniens sehen wollten.

Ein Beleg dieser Hypothese sollte mehr bieten als nur eine Namensähnlichkeit. Zwar sind Seekontakte aus dem östlichen Mittelmeerraum (Ägypten, Mykene) bis nach Sardinien in der späten Bronzezeit belegt, doch den Bewohnern Sardiniens aus jener Zeit fehlt ein entscheidendes Attribut, das die „Shardanen“ in den ägyptischen Reliefs auszeichnet: der Hörnerhelm.

Viele Grabungsfunde aus Sardinien sind verschollen (Schlamperei bei der Dokumentation und Aufbewahrung, Einspeisung in den Kunsthandelsschwarzmarkt usw.). Vom wenigen, was geblieben ist, wissen wir oft nicht präzise, wie es zeitlich einzuordnen sei. Soweit ich diese Unübersichtlichkeit übersehen kann, finden sich keine Objekte, die die Ausstattung von spätbronzezeitlichen Kriegern aus Sardinien mit Hörnerhelmen belegen. Erst später treten Figuren in Erscheinung, deren lange Helmauswüchse man aber nicht als „Hörner“ beschreiben kann. Mal ist es eine wulstige Ausstülpung wie die Haartracht der Leningrad Cowboys in Aki Kaurismäkis legendärem Film aus dem Jahr 1989. Mal sind es lange Tentakel, die wie die Fühler einer Schnecke aussehen, aber nie Hörnerhelme (über deren defensive Dysfunktionalität ich mich i.Ü. in meinem Seevölkerbeitrag zum Thema „Helme“ geäußert habe).

Helmattirbute auf Sardinien, Korsika und Ägypten

Helmaccessoires Sardiniens, Korsikas und Ägyptens.

Bild links: Gepanzerte (?) Männer mit merkwürdigen Waffen/Geräten – der linke mit Kaurismäki-Tolle, der rechte mit Schneckenfühlern am Kopf. Bronzefiguren aus dem Heiligtum von Abini-Teti/Nuoru, frühe Eisenzeit, Nationalmuseum Cagliari (2016-0227 f).

Bild rechts: Korsischer Menhir mit reliefiertem Gesicht und vertikal vor dem Bauch gehaltenen Bronzeschwert, ergänzt um ein Horn (gegenüber den ägyptischen Darstellungen allerdings falsch herum eingesetzt). Daneben eine Shardanen-Abbildung aus den ägyptischen Quellen – Ausstellungsraum zur Megalithanlage von Filitosa/Korsika (2008-06-03_1212)

 

Aber es gibt noch einen Umweg zur Klärung der Sarden=Shardanen-Problematik. Er führt über die Nachbarinsel Korsika. Dort hat der Archäologe Roger Grosjean Menhire gefunden, die an den skulpturierten Köpfen rechts und links ein Loch aufwiesen. Er interpretierte das so: an diesen Stellen waren einmal Hörner angebracht. Diese Menhire waren prinzipiell Abbildungen bronzezeitlicher Invasoren auf der noch im Neolithikum verhafteten Insel Korsika. Die korsischen Neolithiker wollten diese ihnen überlegenen Gegner durch deren Darstellung in Menhirform „bannen“.

Ließe sich belegen, dass die von Grosjean „Torreaner“ genannten Invasoren jene nuraghischen Sarden waren und ließe sich ferner belegen, dass an den Menhiren tatsächlich Hörner befestigt waren, so wäre das in der Tat ein Fortschritt bei der Rekonstruktion der spätbronzezeitlichen Rätsel rund um die „Seevölker“.

Damit ist das hier noch abzuarbeitende Programm umrissen.

Giara di Serri – Geschichtsbewältigung
und ein Führer durch die Anlage

Eine der wichtigsten und auch komplexesten Fundstätten aus nuraghischer Zeit sind die Anlagen rund um das „Brunnenheiligtum“ auf der Giara di Serri. Sie bedürfen der Einführung und Interpretation. 2009 haben sich die Provinz Cagliari und die Gemeinde Serri zusammengetan, um die miese Informationslage vor Ort zu verbessern. Herausgekommen sind 42 noch immer auf dem Gelände verteilte Informationstafeln, die über die Grabungsgeschichte, über Bronzefigurenfunde und vor allem über die ausgegrabenen Bauten Auskunft geben.

Diese Tafeln machen von der Aufmachung her einen guten Eindruck (abgesehen von Verwitterungsspuren, die nicht beseitigt werden). Sie erläutern textlich und bebildern mit Bauaufnahmen der Archäologen, manchmal auch mit Fotos und Zeichnungen. Doch eine genauere Befassung mit diesem Material ergibt, dass die Tafeln weitgehend unverständlich und deshalb weitgehend unbrauchbar sind. Das liegt am eingeflossenen Fachchinesisch, an unaufgeklärten Widersprüchen in den Texten, an unzureichenden Abbildungen, oft gar an falschen Maßstabsausweisungen, usw.

Die Enttäuschung über die tatsächliche Qualität dieses Materials, das ich als nicht-Italiener vor Ort noch nicht beurteilen konnte, hat mich veranlasst, einen Besichtigungsführer zu dieser Anlage für deutschsprachige Besucher zu schreiben. Er setzt sich auch kritisch mit den besagten Informationstafeln auseinander (Link in der Übersicht am Anfang sowie in der Navigationsleiste am rechten Rand).

Nachstehend sind diese Informationstafeln dokumentiert. Ich beschränke mich auf die bautenbezogenen Tafeln. Insofern sind mir nur Nr. 14 zur „Cucina“ im Festgelände sowie die nicht mehr lokalisierbare Tafel 29 „Capanne del custode“ (Haus des Wärters) vor Ort entgangen. Die Tafeln sind in der nachfolgenden Bildergalerie (Bedienung: vor-und zurück-Maus-Schalter an den Seitenrändern) nicht numerisch angeordnet, sondern in der Reihenfolge, in der ich die Begehung der Anlage empfehle. Da auch korrekte Übersichtspläne nicht (mehr) verfügbar sind, habe ich die Infotafelnummern in eine Google Earth-Ansicht übertragen und dort den Wegevorschlag zur Besichtigung mit Pfeilen ergänzt. Es handelt sich um eine druckfähige PDF-Datei im A3-Format: Serri-Informationstafeln auf Google Earth (8,5 MB).