Mein ‚Premium-Wanderweg‘ am Dünsberg
Bergbau – Kelten – Geologie des Devon
Übersicht:
- 1. Die Ziele der Dünsberg-Unternehmung
- 2. Beschreibung des Rundwegs entlang der Wegemarken
- 3. Die Funde vor Ringwalltor 4
- 4. Das „Keltentor“
- 5. Das Gasthaus „Am Keltentor“
Rücklink auf die Einstiegsseite zum Thema „Dünsberg“
Anfahrt
Das Biebertal mit dem Dünsberg als westlichem Talabschluss liegt für Anreisende aus dem Rhein-Main-, dem Vogelsberg-, wie dem Marburger-Raum ‚hinter‘ Gießen, so dass wir aus all diesen Richtungen unweigerlich auf die Bundesstraßen- und Autobahnverschlingungen des „Gießener Rings“ geraten. Haben wir dessen Schlangennester erfolgreich gemeistert, dann verlassen wir dessen letzten Knoten aus B 429 und A 480 auf der hier ebenfalls angeschlossenen L 3047 Richtung Westen (vgl. Abb. 1). Nun sind kurz hintereinander zwei Kreisel mit je (nur) drei Anschlüssen korrekt abzuwickeln, um die L 3286 in Richtung Biebertal zu erreichen. Im Ortsbereich von Biebertal müssen wir noch auf einen Abzweig nach links, am Ortsende auf einen weiteren nach rechts jeweils Richtung Königsberg achten, ehe sich auf der L 3474 geruhsam der Parkplatz an der Obermühle ansteuern lässt, an dem der Rundweg beginnen soll.
Geodaten des Start-/Ziel-Parkplatzes: 50.6371 N, 8.5656 O
Zuvor aber noch ein Blick auf die Situation an der besagten Ausfahrt vom Gießener Ring (B 429/A480):
Von Nordosten kommend setzt sich die A 480 (in der OpenStreetMap-/OSM-Karte in Abb. 1 blau eingefärbt) gradlinig in die L 3047 fort. In dieser OSM-Karte ist das ein kurzer grüner Abschnitt, weil die Landstraße hier noch als Schnellstraße ausgebaut ist. Aus der von Süden kommenden B 429 (ebenfalls grün bei OSM) muss man über eine ¾-Kehre in die besagte L 3047 abbiegen. Die Landstraße steigt in dem grün angelegten Abschnitt leicht eine Anhöhe hinauf und geht auf der Kuppe in eine normale Landstraße über (nun hellbraun in Abb. 1/OSM-Karte). Just auf dieser Kuppe liegt die spitze Kreuzung mit der ehemaligen „Kanonenbahn“. Diese Bahnstrecke wurde unter teilweiser Nutzung vorhandener Bahninfrastruktur bis ins 1871 von Deutschland eroberte Lothringen und dort bis Metz gebaut. Sie diente sowohl militärischen (daher der Volksmund-Name) wie Rohstofftransportzwecken. Um Gießen herum entstand ein neu trassierter Umleitungsabschnitt (zu diesem Abschnitt gibt es bei Wikipedia einen Eintrag). Dessen Trasse ist noch als Grünzug in der Landschaft erkennbar und entsprechend auch in der OSM-Karte hervorgehoben. Aus dem Auto wird man davon allerdings nichts wahrnehmen, weil man sich besser mit konzentriertem Spurhalten im Gießener Schnellstraßendickicht befassen sollte:
Abb. 1: Aktuelle und historische Verkehrstrassen westlich von Gießen (Kartengrundlage: OSM).
Wir könnten jedoch am zweiten besagten Kreisel zunächst nach Südosten zurück Richtung Gießen (statt nach Nordwesten Richtung Biebertal) ausbiegen. Dann gelangen wir nach einem knappen Kilometer an den Ort der ehemaligen Bahnverladestation „Abendstern“. Hier kreuzte bis 1963 die Erzbahn aus dem Biebertal jene in diesem Abschnitt erst 1990 eingestellte „Kanonenbahn“. Hier wurden die Erze von der Lokalbahn auf die Fernbahn umgeladen – zuletzt bis 1963 aus der Grube Königsberg –, um in Lollar, Wetzlar oder im Saarland weiterverarbeitet zu werden. Mehr zu all diesen historischen Kontexten in der PDF-Datei „Bergbau im Biebertal“ auf dieser Website.
Wenden wir nun wieder zurück auf den zweiten Kreisel und weiter ins Biebertal, dann werden wir im freien Gelände von einem separaten asphaltierten Radweg begleitet. Das ist die alte Trasse der Biebertalbahn, die einst die Erze aus den Gruben am Dünsberg zur Verladestation „Abendstern“ und die Stadtbewohner Gießens zum Wandern und Erholen am Dünsberg hinausbrachte.
Die Ziele der Dünsberg-Unternehmung
Rundweg, Keltentor und Abschlussrast
Benutzerhinweis: Für alle schwarzen Einträge in der nachfolgenden Abb. 2 sind Verknüpfungen zu den jeweiligen Erläuterungen auf dieser Seite hinterlegt!
Abb. 2 mit dem Rundwegsplan: Start und Ziel am Parkplatz gegenüber der Obermühle an der L 3474. Beginn mit dem ehemaligen Bergbaurevier im Biebertal am Dünsbergfuß (Ziffern 1 bis 10), Aufstieg zum Dünsberg durch die keltischen Ringwälle (11 bis 17), Abstieg ins Dünsbergbach-Tal (18 bis 22) und Besichtigung des devonischen Riffkalk-Steinbruchs (23). Sodann Fahrt zum Keltentor und Besichtigung der Rekonstruktionen (rechts oben), abschließend Rast im Restaurant „Am Keltentor“ mit weitem Blick ins Gleiberger Land mit seinen beiden burggekrönten Vulkanen Vetzberg und Gleiberg (Kartengrundlage: OpenStreetMap)
Downloadangebot zur Route: gpx-Datei zum Dünsberg-Rundweg.
Beschreibung des Rundwegs entlang der Wegemarken
Die nachfolgende Kurzbeschreibung des Rundwegs orientiert sich an den Wegemarken 1 bis 23 in Abb. 2. Für den ersten, den bergbaugeschichtlichen Abschnitt wird zur weiteren Orientierung eine ältere topografische Karte herangezogen (hier als Abb. 3. Quelle der schwarz-weiß Grundkarte: Rainer Haus, Die Biebertalbahn, Innenseite Umschlag, dort undatiert. Farbige Ergänzungen MS):
Abb. 3: Der Rundwegsabschnitt (rot) im Bereich der ehemaligen Erzgruben am SO-Fuß des Dünsbergs. Die Spuren im Gelände sind nach Senken (Tagebau, rotbraun) und Aufschüttungen (Abraumhalden, braun) differenziert. Die drei Grubenfelder in diesem Bereich sind in ihren (teilweise vermuteten) Konturen hellgelb umrissen.
PStart und Ziel liegen am Parkplatz gegenüber der Obermühle, östlich der L 3474 am Bieberbach. Hier wurde der berühmte Kupferstecher Johann Georg Wille geboren (vgl. Wikipedia). Von hier geht es – leider ohne jeglichen Fußgängerschutzstreifen – an der Straße entlang zunächst knapp 500 m in Richtung Biebertal zurück. Der gerader trassierte Straßenausbau in jüngerer Zeit ging mit Glättung der angegriffenen Böschungen einher. Das hat jegliche Bergbauspuren am Hang beseitigt, nur noch einige Riffkalkfelsen ragen aus dem Hang heraus. Gegenüber der Strohmühle müsste der Stollen der Elisabethengrube mit gemauertem Portal in den Berg geführt haben (Abb. 4). Davon ist aber von der Straße aus nichts mehr zu sehen. Eventuell lassen sich aber bei genauerer Durchsuchung des Geländes hinter den neuen straßenbegleitenden Dämmen noch Spuren finden.
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1 Gegenüber der Strohmühleneinfahrt (dortige Haldenreste sind auf Privatgelände hinter Bäumen verborgen) führt ein asphaltierter Feldweg nach links ins freie Feld hinauf. Links von diesem Weg erste Gruben und Halden des Erztagebaus, mit Obstbäumen überwachsen.
2Vor einem Feldgehölz mit Sitzbank zweigt nach links ein begraster Weg ab, der zwischen weiteren Halden hinauf führt. Im weiteren Wegeverlauf sind immer wieder kleinere Flächen zwischen Wald und Obstbäumen mit Mais bepflanzt. Deren Verwüstung sowie die Hochsitze dahinter deuten auf Anfütterflächen zum einfacheren Abschießen des Wilds.
3Nach einer längeren flachen Halde zur Linken kann am Zaun entlang Richtung Waldrand abgezweigt werden. Dort öffnet sich eine tiefe Tagebaugrube, aus der bereits ausgewachsene Bäume herausragen und zu der wohl die vorgelagerte Abraumhalde gehörte (Abb. 5). In neueren topografischen Karten ist dieser Tagebau nicht mehr ausgewiesen, sondern nur noch als Wald dargestellt.
4Weiter den Weg hinauf läuft nach rechts (Süden) hinter einer Abgrabung eine Haldenschüttung ins Gelände hinaus. In Wegesrichtung (NO) türmt sich ein bewaldeter (umzäunter) Haldenhügel auf. Man kann ihn links durchs Feld, oder besser nach rechts den befestigten Weg hinunter umrunden. Hinter dem sich anschließenden eingezäunten Privatgrundstück geht es nach links Richtung ONO auf einen Feldweg. Dann wieder nach links über die Wiese Richtung Waldrand, dem rechts ein hoch bewaldeter separater Bereich vorgelagert ist (Standort 5).
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5Dieser Wald auf der Rechten kaschiert die größte und tiefste Tagebaugrube in diesem Bereich, an deren Sohle ein kleiner See entstanden ist. Man kann die Tiefe vom westlichen Waldrand gut überschauen (Abb. 6). Will man die steilen Grubenhänge nicht durchklettern (an denen nur Wildspuren entlangführen, die aber für Menschen nicht die nötige Gehhöhe unter den Büschen öffnen), geht man wieder nach Süden zurück und umkreist die Grube auf dem östlich davon zum Waldrand ansteigenden Weg.
6Auf einem Pfad im Waldrand gelangt man in der Flur Buchholz (Flurschild bereits östlich von Standort 5 vor einem Acker) mitten im Grubenfeld „Elisabethe“ zu einem weiteren Tagebau, der nach Süden in den Buchholzgraben übergeht.
7Östlich des Buchholzgrabens führt ein idyllischer Pfad grabenparallel durch den Wald hinab. Der Graben selbst ist bereits von Wald überwachsen. Betonreste und Abgrabungsspuren verweisen auch hier auf rege frühere Aktivitäten.
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8Eingezäunter Luftschacht mit Infoschild aus Holz: Wetterüberhauen (Luftschacht) Grube Friedberg [stillgelegt] 1961. Links könnte man auf dem Forstweg durch das Gelände der Grube Friedberg direkt zum Dünsberg-Aufstieg kommen. Wir folgen jedoch dem nun befestigten Weg am Buchholzgraben entlang bis zur K 353.
9An der Kreisstraße stoßen wir auf den 2012 eröffneten und gut markierten Kelten-Römer-Weg (KR-Logo), der von Südosten heranzieht und folgen ihm über das Feld hinauf zum Waldrand.
10Dort führt der Pfad an allerlei Kinder-Bastelarbeiten entlang durch den Wald zu Resten der Grube Friedberg: links einem umzäunten Loch, über dem (laut einfachem Infoschild) noch bis 1961 ein Förderturm gestanden hat. Nach rechts führt das inzwischen hoch mit Bäumen bewachsene Planum einer aus der Förderung des Turms aufgeschütteten Halde ins Gelände hinaus. Auf diesem Planum haben einmal Gebäude der Grube gestanden (Abb. 7).
An gleicher Stelle findet sich eine einfache Holztafel mit eingeschnitztem (nicht immer gut lesbarem) Text:
Grube Friedberg
Von 1864 bis 1961 wurden im Grubenfeld Friedberg ca. 0,5 Mill. Tonnen Brauneisenerz abgebaut. Die Grube war zeitweise stillgelegt. Die längste Förderperiode war von 1938 bis 1961. 1942 waren 88 Bergleute beschäftigt. Absenkung der Tagesoberfläche durch Scheibenbruchbau[?]. Im Wald sichtbar. Stillegung 1961: kein Absatz Erzvorräte fast abgebaut. Standort: Hier sind die Umrisse des letzten Förderschachtes sichtbar Gesamtteufe 134 Meter Ø 4 m. Schacht ist verfüllt! Der Schacht wurde 1918 bis 76 m geteuft 1920 bis 94 m 1940 bis 114 m. 1956 auf die Endteufe von 134 Meter. [Bild 2014-7928]
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11Ein Stück weit folgend wir noch dem KR-Pfad den Hang hinauf und bleiben auch dann auf dem ansteigenden Weg, wenn der KR-Pfad nach rechts abzweigt (er führt zunächst zur fragwürdigen Rekonstruktion eines Keltentors am Parkplatz bei der L 3047 – siehe dazu weiter unten – und erst dann auf den Dünsberg). Wenig später wird schräg nach links ein Forstweg gequert.
12An einem fünfarmigen Wegestern nehmen wir den Weg halbrechts über die Bergnase hinauf. Das ist wieder der KR-Weg, der hier vom Dünsberg herunterkommt und in Richtung Waldgirmes weiterführt. Wir folgen ihm alsbald in einen Pfadabzweig nach rechts.
13Dieser Pfad führt entlang eines kaum noch sichtbaren linearen, vom untersten Ringwall abzweigenden Walls („Strahlenwall“) zum Tor 4. Hier wurden vor allem von Raubgräbern, dann aber auch in wissenschaftlich geordneten Nachuntersuchungen hunderte oder gar tausende von Fundstücken gemacht (vgl. dazu weiter unten die spezielle Notiz zu Tor 4 sowie die Ausführungen zur Rekonstruktion des Keltentores am Parkplatz).
14Hangparallel geht es auf einem Forstweg weiter zum Tor 5. In Gehrichtung zweigt hier schräg nach rechts ein Pfad hinauf in den Wald ab.
15Nach einer Biegung führt dieser Pfad steil mit Tor 11 durch den mittleren Ringwall. Nach kurzem weiterem Anstieg mündet der Pfad auf die (brüchige) Asphaltstraße zum Gipfel. Eine Bank neben Objekten des Kunstpfades lädt zu einer Aussichtspause ein.
16Wir folgen nun der Asphaltstraße Richtung Osten. Alsbald stößt der KR-Weg wieder von rechts hinzu und weist östlich des Dünsberg-Gipfels scharf links in einen Pfad, der bei Tor 13 den hier besonders imposanten dritten, innersten und ältesten Ringwall durchquert, eher er alsbald an die Gebäude des Dünsbergvereins mit Gaststätte und Aussichtsturm zur Rast geleitet.
Die Dünsberg-Raststätte, „Der Treff für Wanderer und Naturfreunde“ hat zwischen März und Oktober mittwochs und samstags zwischen 13 und 22 Uhr, sonntags zwischen 8 und 22 Uhr sowie an Feiertagen ab 10 Uhr geöffnet. Im Winter wird abends bereits um 20 Uhr geschlossen (Öffnungszeigen im Web kontrollierbar über: http://www.duensberg.de/gaststaette.html).
17 Nach Gipfelrast führt gleich links (westlich) der Sitzbänke ein Pfad auf der Bergnase direkt hinab, auf dem sich vorzugsweise Mountainbike-Fahrer herunterstürzen.
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18Dieser Pfad quert an wiederum eindrucksvoller Stelle den inneren, obersten Ringwall: Zunächst fällt der Pfad steil in die Materialgewinnungssenke hinter dem Wall, steigt zum Wall wieder an und fällt auf dessen noch immer markanter Außenseite erneut steil ab. Alsbald stößt der Direttissima-Pfad auf die Asphaltstraße – kurz vor der Stelle, an der der Anstiegspfad aufmündete. Wir folgen der Asphaltstraße nun gut 500 m in der Gegenrichtung zum Anstieg nach Norden und queren dabei schräg den mittleren Ringwall (Infoschild).
19Bevor sich die Dünsberg-Zufahrtsstraße nach Osten wendet (hinter der Kurve findet sich Tor 7 im unteren Ringwall) folgen wir dem nach links abzweigenden Pfad hinab eine „Etage“ tiefer.
20Der Forstweg, auf den wir hier treffen, führt nach rechts zum „kleinen Dünsberg“, um den sich auch der unterste Ringwall schlang. Wir folgen jedoch dem Forstweg nach links über eine und um zwei weitere Bergnasen herum.
21Im Taleinschnitt nach der zweiten Bergnasenumrundung ist nach rechts auf einem Pfad hinabzusteigen, der uns nahe dem Forsthaus auf eine Forststraße im Dünsbergbachtal führt. Hier ein kurzes Stück nach rechts (Norden), dann nach links über die Brücke.
22Westlich der Brücke führte der dortige Forstweg im Dünsbergbachtal früher auch nach Süden zum Kalksteinbruch (heute nur noch nach Norden). Dieser Weg wird nun durch ein Fußgängerverbots-Verkehrsschild versperrt, dessen Aufstellung aber wohl vor allem aus Enthaftungsgründen erfolgte. Denn gleichwohl führt ein schmaler Pfad ins Gelände, auf dem Naturliebhaber das Gelände erkunden.
23Der große aufgegebenen Kalksteinbruch zeigt devonische Massen- bzw. Riffkalke (Abb. 8) die hier als Zuschlagsstoff für die Stahlverhüttung abgebaut wurden. Auch nach Süden ist das gesperrte Steinbruchgelände mit einem Pfad angebunden, der dort alsbald auf die Landstraße L 3474 stößt. Anders als beim Start unseres Rundweges ist man hier auf dem letzten Stück des Rundwegs nicht mehr dem Straßenverkehr ausgeliefert, weil auf dem straßenbegleitenden Damm ein Fußweg zum Parkplatz zurückführt.
Abb. 8: Geologischer Aufschluss der Massenkalke des mittleren Devon (392 bis 381 Mio. Jahre) mit tief reichenden Karstspalten, in denen der Kalk zu dunkelroter bis ockerfarbiger Terra Rossa verwittert ist (Standort 23, Blickrichtung West). Die felsige Abbausohle wächst nur langsam mit Pionierbäumen zu. Die südlichen (linken) Teile der Waldkrone auf den Steinbruchrändern gehören zum Naturschutzgebiet Eberstein (Hinweisschild neben dem südlichen Eingang zum Steinbruch; vgl. auch: Hillesheim-Kimmel u.a., Die Naturschutzgebiete in Hessen, Institut für Naturschutz Darmstadt, 1978, S. 128 ff)
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Die Funde vor Tor 4
Das größte Rätsel der Dünsberg-Archäologie bildeten lange Zeit Massenfunde vor Tor 4, das im Süden der Anlage durch den äußersten und jüngsten Ringwall führte. Jahrzehntelang hatten hier Raubgräber Hunderte, vielleicht sogar Tausende von Objekten aus dem Boden gewühlt: Lanzenspitzen, Schwert- und Schildfragmente, prunkvolles Pferdegeschirr. Eine demgegenüber kleine Menge typisch römischer Waffen wie Schleuderbleie und Spitzen römischer Wurflanzen führte zunächst zur Einschätzung, dass hier die Überreste eines Schlachtfeldes aus der Zeit des Drususfeldzuges 10/9 v. Chr. entdeckt worden seien. Doch neuere Grabungen zwischen 1999 bis 2004 haben die Schlachtfeldhypothese ins Wanken gebracht. Insbesondere erwiesen sich Umfang, Auswahl und Zustand der meisten Objekte vor Tor 4 als typisch für kollektive Kulthandlungen.
Datierung und Streuung der Objekte lassen den Schluss zu, dass hier seit dem 3. Jh. v. Chr. – also über Generationen hinweg – immer wieder, vor allem von Männern, absichtlich unbrauchbar gemachte, eigene oder erbeutete Waffen sowie Pferde und Pferdegeschirr geopfert worden sind. Die Frage, ob die römischen Ferngeschosse ebenfalls Bestandteile der Opferhandlungen waren, oder ob sie tatsächlich von einem Kampf vor Tor 4 stammten, der aber nichts mit dem Drususfeldzug zu tun hatte, bliebt noch unklar. Sicher ist jedoch, dass das Oppidum Dünsberg zu den religiösen Zentren dieser Gegend gehörte.
(Nach: Sabine Rieckhoff und Stephan Fichtl, Keltenstädte aus der Luft, S. 36 f; vgl. auch die Broschüre: Der Dünsberg bei Biebertal – Archäologische Ausgrabungen in einer keltischen Stadt, Biebertal 2006, S. 22 f)
Querverweis: Ein solcher Kult, dass Gegenstände über viele Jahrhunderte hinweg rituell an einem Ort begraben wurden, konnte auch in ganz anderem Kontext und in ganz anderer Region beobachtet werden: in der kykladischen Frühgeschichte auf der kleinen Kykladeninsel Keros. Damit befasst sich ausführlicher mein Beitrag zur Kykladengeschichte in der PDF-Datei „Vor Gott die Göttin - Zur Deutung der ‚Kykladenidole‘“ (öffnet auf separater Browserkarte).
Das „Keltentor“
Der kürzeste Weg auf den Dünsberg beginnt am großen Parkplatz an der L 3047 nordöstlich des Berges. Hier wurde ein „Keltentor“ rekonstruiert, das sich auch ohne jegliche Anstrengung bequem vom Auto auf dem Parkplatz betrachten lässt (Abb. 10). Wir haben es nach unserer Rundwanderung ebenfalls kurz mit dem Auto aufgesucht. Eine Wanderung ist es nicht unbedingt wert, denn diese Rekonstruktion ist in Lage und Bauausführung fragwürdig :
- Dies Tor mit seinen Wallansätzen steht nicht an einem historischen Standort, sondern lediglich tourismuspraktisch straßen- und parkplatznah.
- Die baumstammstarken Pfosten, die historisch die keltischen Mauern gehalten haben, stecken nicht in der Erde, sie schweben vielmehr etwas darüber und werden irgendwie verdeckt von hinten aus der Mauer heraus gehalten.
- Diese Mauer ist auch nicht (wie historisch) als Trockenmauer aus Bruchsteinen zwischen den Pfosten aufgeschichtet, sondern mit Mörtelbindung gemauert.
- Die schieferartigen Bruchsteine zeigen zudem meist mit den Spaltflächen nach vorne und ähneln auf diese Weise eher dem Plattenbelag auf der Terrasse einer Neureichen-Villa als einem Bruchsteinmauerwerk.
Abgesehen von der indiskutablen Plattenbelagsgestaltung könnte man diese Fassadenhaftigkeit zur Not noch daraus rechtfertigen, dass die Anlage mit möglichst wenig Wartungsaufwand einige Jahre halten soll. Die keltischen Pfostenschlitzmauern waren wartungsaufwändig, weil die Pfosten in der Erde vermodern und die Trockenmauern herabbröckeln konnten. Vom Donnersberg weiß man, dass sie spätestens alle 50 Jahre erneuert werden mussten.
Der gewichtigste Einwand gegen dies „Keltentor“ an der L 3047 betrifft aber dessen Form:
Auf einer Infotafel in seiner Nähe heißt es: „Freie Rekonstruktion eines Tangentialtores unter Berücksichtigung aktueller Ausgrabungsergebnisse von Tor 4“ (Bild 2014-7955).
Das einzig Richtige an diesem Satz ist wohl das „freie“. In der Tat haben sich die Planer diese Tores große Freiheiten geleistet. Denn es handelt sich nicht um die typisch-keltische Form eines Tangentialtors. Eine solche Torform definiert die Dünsberg-Website http://www.duensberg.de/ (Fritz-Rudolf Herrmann) mit Bild und Text vielmehr so (Abb. 11):
Der Toreingang liegt also typischerweise in der Richtung einer Tangente zur Ringmauer, die sodann – um die Torbreite nach außen versetzt – in der gleichen Richtung weiterläuft. Ein berühmtes Beispiel wurde in der großen keltischen Siedlung „Heuneburg“ bei Herbertingen-Hundersingen über der Donau rekonstruiert. Hier aber, am Dünsberg-Parkplatz liegt das Tor nicht abgeknickt von, sondern in der Mauer selbst, von der (in Abb. 10 nach rechts hin) ein merkwürdig auslaufendes Mauergebilde abknickt.
Zudem behauptet der Infotafeltext, dass sich die Rekonstruktion an den „Ausgrabungsergebnissen von Tor 4“ orientiert habe. Dringt man jedoch als Wanderer bis Tor 4 vor, so erfährt man dort, dass es sich an dieser Stelle im untersten der drei Ringwälle nicht um ein Tangential-, sondern um ein keltisches Zangentor gehandelt hatte.
Diese Vorzugsbauform keltischer Tore ermöglichte eine wirksame Verteidigung von den beidseitigen Zangen herab, in die die Toreinfahrt eingezwängt war. Auch dazu hält die zitierte Dünsberg-Website Abbildung und Text bereit (Abb. 12:)
Genau diese Abbildung wurde i.Ü. auch in die Infotafel bei Tor 4 aufgenommen. Dort lautet der Text:
Zangentore sind eine typische Torform der befestigten Anlagen der Spätlatènezeit. Ihre fast rechtwinklig nach innen einbiegenden Mauerenden bilden eine Torgasse. Der Torbau liegt dabei nach innen gerückt am Ende der Torgasse. Er besaß gewöhnlich zwei Durchfahrten.
Zwei vom Tor ausgehende „Strahlenwälle“ laufen nach Süden aus. Ob weitere flache Wälle im Vorgelände zu den Befestigungen gehörten, ist ganz unsicher. Vermutlich sind sie Zeugnisse alten Ackerbaus.
Die in diesem Infotafel-Text erwähnten „Strahlenwälle“, deren historische Funktion noch immer ungeklärt ist, zeigte zu Tor 4 bereits ein Ausschnitt aus der Ringwallkartierung am Dünsberg in Abb. 9).
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Das Gasthaus „Am Keltentor“
Dies Hotel und Restaurant hieße besser „Weitab vom Keltentor“, was aber kein Nachteil wäre. Zum einen ist hier die ärgerliche Rekonstruktion weit weg (2,2 km zu Fuß auf dem KR-Weg, 3,1 km mit dem Auto über Fellingshausen) zum anderen hat man einen herrlichen Blick ins Gleiberger Land. Zum dritten lässt sich hier schön speisen und auf diese entspannte Weise ein erlebnisreicher Wandertag am Dünsberg abschließen. Die Wirtsleute lassen sich zudem beim Gießener Brauhaus ein „Kelten Lagerbier“ brauen, das hier ausgeschenkt wird, das man aber auch mit acht Drittelliter-Fläschchen in einem bunt bedruckten Pappkarton als Genussverlängerung mit nach Hause nehmen kann (Abb.13).
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Michael Siebert, September 2014