Früher war Nordzypern, insbesondere der Kalkstandort des Pentadaktylosgebirges, ein Eldorado für Orchideologen. Nach der militärischen Besetzung durch die türkische Armee im Jahre 1974 gingen dort die Orchideenbestände massiv zurück. Das liegt nicht (oder nur sekundär) an intensiver Schaafs- bzw. Ziegenbeweidung, sondern vor allem am Ausgraben der Knollen. Der Darmstädter Orchideenexperte und Leiter des hiesigen Botanischen Gartens Stefan Schneckenburger erläutert dazu in einem Sonderheft des Frankfurter Palmengartens zum Thema „Orchideen – Juwelen der Pflanzenwelt“ (S. 65):
Eines besonderen Nutzens erfreuen sich getrocknete Orchideenknollen in der Türkei: Sie werden dort „Salep“ (vom arabischen sahlab=Fuchshoden) genannt. Aus ihnen wird in verschiedenen Regionen der Türkei (besonders in der Gegend um Mara am Rand des Taurusgebirges) „Salepi dondurma“, eine Speiseeisspezialität, hergestellt. Es ist zu befürchten, dass dies trotz gegenteiliger Versicherungen den Beständen der Orchideen nicht zuträglich ist. Die Einfuhr von Salepknollen in die EU ist … streng verboten.“
Über die Orchideen Zyperns gibt es eine – sozusagen ‚ultimative‘ – Quelle: das Buch von C.A.J. Kreutz, Botaniker und vor allem auch Fotograph: „Die Orchideen Zyperns – Beschreibung, Lebensweise, Verbreitung, Gefährdung, Schutz und Ikonografie“. Das mit exzellenten Fotos bestückte englisch-deutschsprachige Werk kann beim Autor unter Kreutz - Orchideen von Zypern> Navigation „Bücher“ bestellt werden. Es zeigt unter Auswertung vieler Fundquellen in artenbezogenen Verbreitungskarten, wo die insgesamt 52 auf Zypern nachgewiesenen Orchideenarten bestimmt worden sind.
Auf unserer lediglich zweiwöchigen Zypern-Exkursion im April des Jahres 2013 haben wir insgesamt 20 der 52 nachgewiesenen Arten gefunden. Von der gewöhnlichen Blütezeit waren sogar nur insgesamt 20 Arten zu erwarten, von denen 11 auf unserer Exkursion bestimmt werden konnten.
Tabelle 1: Auf der Exkursion 2012 gefundene Orchideenarten (grau unterlegt) mit gewöhnlicher Blütezeit (auch) im April
Art auf Zypern
Blüte [M]
Phase
Höhe [m]
Anacamptis pyramidalis *)
II-IV
Mitte bis Ende
0-900
Neotinea maculate
III-IV
Anfang bis Mitte
0-1500
Ophrys apifera **)
III-IV
Ende bis Anfang
0-900
Ophrys bornmuelleri
III-IV
Mitte bis Mitte
0-900
Ophrys hystera
III-IV
Mitte bis Ende
0-600
Ophrys kotschyi
II-IV
Mitte bis Mitte
0-800
Ophrys melena
III-IV
Anfang bis Ende
0-200
Ophrys umbilicata
III-IV
Anfang bis Mitte
0-800
Orchis fragrans
III-IV
Mitte bis Ende
0-1400
Orchis italica
III-IV
Mitte bis Mitte
0-800
Orchis laxiflora
III-IV
Mitte bis Mitte
200-800
Orchis palustris
IV-V
Mitte bis Ende
0
Orchis sancta
IV-V
Mitte bis Mitte
0-900
Orchis simia
III-IV
Mitte bis Mitte
600-800
Orchis tridentata
III-IV
Mitte bis Mitte
0-500
Orchis troodi
III-IV
Anfang bis Mitte
100-1500
Serapias aphroditae
III-IV
Anfang bis Anfang
0-500
Serapias bergonii
III-IV
Mitte bis Ende
0-900
Serapias levantina
III-IV
Anfang bis Mitte
0-400
Serapias parviflora
III-IV
Mitte bis Mitte
0-300
Auf der Exkursion wurden weitere Arten gefunden, deren Blütezeit eher nicht für den April typisch ist und die in Tabelle 2 grau hinterlegt hervorgehoben werden.
Tabelle 2: Alle auf der Zypern-Exkursion 2012 gefundenen Orchideenarten (Ergänzungen gegenüber Tabelle 1 grau hinterlegt) mit Seitenangabe der Erwähnung im Bericht.
Gattung / Art
Bericht Seite
Anacamptis pyramidalis
(4), 6, (9)
weißliche Variante
11
Barlia robertiana
(2), 10
Neotinea maculata
(4), 9, 10
Ophrys apifera
3,
var. bicolor
7
Ophrys bornmuelleri
5, 6, 11
Ophrys cinereophila
10
Ophrys israelitica
10
Ophrys italica
4, 6 (, 10)
Ophrys lapethica
7
Ophrys mammosa
4, 5, 12
Ophrys sicula
4, 5
Ophrys umbilicata
3, 5, 7
Orchis anatolica
(9, 10)
Orchis fragans
2, 8
Orchis laxiflora
8
Orchis sancta
7
Orchis sezikiana
11
Orchis troodi
9
Platanthera holmboei
12
Serapias
3
~cf. bergonii
2
Eine bebilderte und in den räumlichen Fundkontext eingeordnete Zusammenstellung aller Orchideenfunde auf der Exkursion im April 2012 finden Sie hier als PDF-Datei (gut 5 MB): Orchideenfunde auf Zypern 2012.
Orchideen und Aphrodite
Schon das Attribut „aphrodisierend“, das u.a. die Türken den Orchideen zuschreiben, stellt die Beziehung von Orchideen zur Göttin Zyperns her (für Aphrodite gibt es auf dieser Website hier eine eigene Abteilung). Was auch immer an diesen angeblichen Wirkungen dran sein mag – sogar auf ernsthaft botanische Weise ist Aphrodite in die Orchideenwelt eingegangen:
Die Unterfamilie der Frauenschuh-Orchideen ist nach Aphrodites griechischem Zweitnamen „Cypris“ benannt: Cypripedioideae (gr. Kypris = Venus und podilon = Schuh). In dieser Unterfamilie gibt es fünf Gattungen, von denen nur die erste – Cypripedium – in Europa mit 50 Arten vorkommt, keine davon allerdings auf Zypern. Auch die zweite Gattung in dieser Unterfamilie hat einen Zypern-Bezug, als sie nämlich nach Aphrodites „Wohnort“, den Tempelanlagen von Alt-Paphos, mit „Paphiopedilum“ benannt ist. In der Nähe von Paphos ist zudem jener Strand zwischen markanten Felsen gelegen, an dem Aphrodite dem Meer entstiegen sei. Auch die Arten dieser Gattung „Paphiopedilum“ gibt es allerdings nicht auf Zypern.
Die (Haupt-)Familie der Orchideen heißt „Orchidaceae“. Ihr Name leitet sich aus dem griechischen „orchis = Hode“ ab. Namensgebend sind die zwei (ungleich großen) Wurzelknollen vieler Orchideen, in denen der antike Philosoph und Naturforscher Theophrastus (ca. 371-287 v. Chr.) eine Ähnlichkeit mit Hoden gesehen hat (vgl. S. 388 von Theophrastus, Naturgeschichte der Gewächse / PDF-Seite 364). Und nachdem die Pflanzen nun mal so hießen, mussten sie wohl auch eine passende Wirkung haben...
Die ‚Wirkungen‘ gehen aber noch weiter: Wichtige Orchideengattungen, die auch auf Zypern vorkommen, heißen „Ragwurz“ oder „Stendelwurz“ – wenn das mal keine Anzüglichkeiten sind! Die lateinischen Gattungsbezeichner geben allerdings eine solche Konnotation nicht her. Denn das griechisch-stämmige Ophrys (deutscher Gattungsname: Ragwurz) heißt auf Deutsch „Augenbrauen“. Ebensowenig hat der lateinische Gattungsname „Epipactis“ etwas mit einem „Stendel“ zu tun (laut Duden auch nach neuer Rechtschreibung vorzugsweise nicht als „Ständel“ zu schreiben).