Abseits im „Hessischen Hinterland“

Ein beeindruckender Berg mit beeindruckender Geschichte

Der Dünsberg ist mit knapp 498 m der höchste Berg in der Umgebung von Gießen. Er liegt am Rand des Rheinischen Schiefergebirges bzw. dessen Untereinheit des Gladenbacher Berglandes und ragt so markant aus seinem Umfeld heraus, das erst 14 km nordwestlich ins angrenzende Bergland hinein mit dem „Schönscheid“ der nächstgelegene, nur unwesentlich höhere Berg aufragt. Das Profilbild hebt diese besondere Stellung hervor:

Dünsberg-Profil

Kein Wunder, dass der dominante Gipfel heute für Sendeanlagen genutzt wird.

Historisch gehen Nutzungen im Bereich dieses Bergs bis ins Neolithikum zurück, worauf einige versteckte Funde am Bergfuß hingewiesen hatten. Nicht zu übersehen sind hingegen die keltischen Relikte. Insofern ist der Dünsberg eins der wichtigsten Bodendenkmäler aus keltischer Zeit in Hessen, das – je nach Sicht – allenfalls vom Glauberg in den Schatten gestellt wird.

Mit seinem dreifachen Ringwallsystem bildet der Dünsberg ein in Hessen einmaliges Bodendenkmal aus frühgeschichtlich-keltischer Zeit. Die Ringwälle sind großenteils noch gut erhalten, insbesondere der innerste/oberste. Das meint allerdings lediglich die gut sichtbaren Wallschüttungen, denn die typischen keltischen Mauerkonstruktionen sind natürlich längst verstürzt.

Das Ringwallsystem ist in der nachfolgenden Abbildung kartiert, die u.a. auf Infotafeln im Wald präsentiert wird. Es zeigt im mittleren Ring bei Tor 14 eine weitere Variante sowie im Bereich des unteren Rings nicht eindeutig geklärte Besonderheiten: Hier führen an sechs Stellen rund um die Anlage mehrere kurze Wälle linear vom Ringwall weg – teilweise (aber nicht immer) im Zusammenhang mit Quellen, die für die Wasserversorgung des keltischen Oppidums (so Cäsars Bezeichnung für diese Art befestigter keltischer Siedlungen) von Bedeutung waren.

Wege auf dem Dünsberg

Im Osten des Dünsbergs, wo ihm die Landesstraße L3947 am nächsten kommt und deshalb ein Parkplatz für Wanderer angelegt wurde, hat man sich an Rekonstruktionen keltischer Bauten versucht. Es entstand zum einen ein „Keltengehöft“ mit Kräutergarten, wobei der Lehm-Fachwerkbau des Haupthauses auch innen keltisch rekonstruiert wurde und museal offeriert wird. Zum anderen hat man eines der typischen keltischen Zangentore an dieser Stelle aufgebaut.

Im Jahre 1986 wurde – ausgehend von dieser Attraktion wiedererstandener keltischer Bauten – durch die Ringwallanlagen hindurch ein Archäologischer Wanderweg angelegt,  mit Infotafeln ausgestattet (grüne Punkte in der Abbildung) und punktuell auch mit weiteren Rekonstruktionen ergänzt. Der Verlauf dieses Wanderweges ist – grün gestrichelt – ebenfalls in der Abbildung eingetragen. Leider wird er schon seit längerem nicht mehr hinreichend gepflegt, so dass er streckenweise völlig überwachsen und nicht mehr im Gelände nachzuvollziehen ist.

Derweil tummeln sich verschiedene andere (von den zahlreichen Forstwegen abgesehen) besondere Wege im Gelände:

Noch mehr Gründe für einen Dünsberg-Besuch: Seine Bergbaugeschichte

In Darmstadt kennt kaum jemand den Dünsberg und das ihn umgebende Gleiberger Land mit seinen schnuckeligen Vulkanen, den westlichsten Ausläufern des Vogelsberg-Vulkanismus‘. Eine Terra incognita – wohl nicht nur, weil die Schlangennester der Autobahnverknotungen rund um Gießen von einer Fahrt hierherein abschrecken.

Ein wesentlicherer Grund dürfte sein, dass ein Darmstädter Bezug in diese Gegend schon vor der Reichsgründung im 19. Jahrhundert abriss: Bis zum Jahre 1866 gehörten die Flächen um den Dünsberg zu Darmstadt, genauer gesagt zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Von seinem mittelhessischem Besitztum, dessen Westrand von Gießen markiert wurde, reichte von Gießen aus in Richtung Norden über Biedenkopf hinweg bis auf die Höhe von Frankenberg ein ergänzender Geländestreifen großherzoglichen Geländes („Hessisches Hinterland“). Da sich Darmstadt aber im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866 dummerweise auf die unterlegene österreichische Seite geschlagen hatte, musste es diesen Geländestreifen an das siegreiche Preußen abtreten. Damit gingen Darmstadt wichtige Rohstoff-Ressourcen verloren, denn das Gleiberger Land, insbesondere die Flächen am Fuß des Dünsbergs, bargen reiche Erzlagerstätten, deren Ertrag nun ebenfalls Preußen zugutekam.

Die Spuren dieser Bergbaugeschichte sind heute im Gelände weitgehend getilgt. Auf topografischen Karten fallen nur noch Abgrabungen oder Aufschüttungen insbesondere am Südfuß des Dünsbergs auf, die auf historischen Tagebau oder Bergwerkshalden hindeuten. In der nachstehenden Karte sind diese Flächen farbig hervorgehoben und zugleich drei Bergwerke mit den einschlägigen Hammersymbolen markiert:

Historische Bergwerke am Südfuß des Dünsbergs

 

Es gibt vor Ort einen heimatgeschichtlichen Verein, der leider etwas eingeschlafen zu sein scheint (so wurde das Jubiläum eines im Jahr 2013 genau 50 Jahre zurückliegenden Endes der 450-jährigen örtlichen Bergbaugeschichte nicht erkennbar genutzt). Aus dem Kontext dieses Vereins ist ein industriegeschichtliches Buch hervorgegangen, das ich in Hinblick auf die örtliche Bergbaugeschichte ausgewertet habe.

Das Ergebnis – ein ca. 11 MB umfassendes PDF-Dokument „Bergbau im Biebertal am Fuße des Dünsbergs“ – wird nach einem Klick auf diesen Link auf einem separaten Browser-Tab dargestellt (oder kann heruntergeladen werden). Es sei jedem empfohlen, der sich am Dünsberg nicht nur mit den Kelten, sondern auch mit der Bergbaugeschichte des Landstrichs befassen will. In dieser Studie bleiben noch allerlei Fragen offen. Gerne nehme ich deshalb weiterführende Hinweise oder kritische Stellungnahmen entgegen.