Die Troas
Als „Troas“ bezeichnet man nicht nur die unmittelbare Gegend um Troia herum, sondern den gesamten Nordwestzipfel Kleinasiens, der im Norden von den Dardanellen (in der Antike „Hellespont“) und dem Marmarameer (in der Antike „Propontis“), im Westen von der Ägäis und im Süden vom Golf von Edremit, somit also an drei Seiten von Meer umschlossen ist. Den Südrand dieser Region – entlang des Edremit-Golfs – säumt das Kaz Dagi-Gebirge, das mit dem archaischen Ida-Gebirge identifiziert wird. So liegt es in recht stattlicher Entfernung zu Troia, während man beim Lesen in den troianischen Geschichten eher eine größere Nähe empfindet.
Im Jahre 1999 bereiste ich zum ersten Mal die Troas. Wir besichtigten natürlich die von Manfred Korfmann geleiteten Ausgrabungen, aber auch allerlei historisch und geografisch interessante Punkte im näheren und weiteren Umfeld. Zudem war die Reise noch mit einem anderen Erkenntnisinteresse gepaart: Prüfung der Thesen von Eberhard Zangger über „Troia = Atlantis“ (Die Zukunft der Vergangenheit – Archäologie im 21. Jahrhundert, München 1998).
Was damals in dieser Landschaft besonders auffiel: die intensive landwirtschaftliche Nutzung, vor allem durch Baumwoll- und Tomatenanbau. Wir hatten uns nahe der Ausgrabungen im Dorf Tevfikiye einquartiert. Dort konnten wir beobachten, wie die Bauern im täglichen Rhythmus allein aus diesem Ort ein geschätztes Dutzend großer LKW mit Hochbord-Ladefläche mit Tomaten füllten, die dann in der Nacht nach Istanbul auf die dortigen Märkte gefahren wurden. Teils wurden die Früchte lose in die LKW geschüttet (siehe Abb.), teils sorgfältig in Kästen aufgetürmt. So kamen täglich 200 bis 300 t in die türkische Metropole zur Weiterverarbeitung und zum Verkauf. Wie uns die Bauern versicherten, währt diese jährliche Saison von Juni bis in den Oktober hinein.
Ein riesen Problem beim Bereisen der Türkei ist das völlig mangelhafte Kartenmaterial. 1999 hatten wir nur die Zangger’schen Zeichnungen, das DuMont-Reisetaschenbuch „Türkische Westküste“ sowie eine vor Ort erlangte recht präzise archäologische Kartierung der unmittelbaren Troia-Umgebung („Troy Historical National Park“) zur Verfügung. Inzwischen hat sich die Situation mit einem Buch verändert, das aus dem Troia-Projekt der Universität Tübingen hervorgegangen ist:
Volker Höhfeld (Hrsg), Stadt und Landschaft Homers – Ein historisch geografischer Führer für Troia und Umgebung, Philipp von Zabern-Verlag 2009.
Hier wird nicht nur die Landschaft (mit auch ein wenig Geologie und Botanik) sowie eine große Anzahl wichtiger Orte beschrieben. Dem Buch ist auch eine detaillierte Karte beigefügt, mit der sich die gesamte Troas gut erschließen lässt. Nachstehende Abbildung zeigt einen Ausriss als Beispiel für die Detailliertheit der Kartendarstellung, die mit einer Vielzahl von Symbolen sowohl touristische Einrichtungen als auch geografische, naturkundliche und archäologische Sehenswürdigkeiten markiert:
Vorerst soll es an dieser Stelle mit diesem Literaturtipp sein Bewenden haben – bei Gelegenheit will ich hier intensiver auf die Landschaft der Troas und dortige Hinweise auf "Homers Heimat" eingehen.