Was wird kommen?

Die aktuelle Situation des Vulkanismus unter und um Thera/Santorin

Um abzuschätzen, wie sich der Vulkanismus auf Thera weiterentwickeln wird, gibt es hier zunächst einen Blick auf die ganz großen Prozesse, die letztlich Ursache der meisten vulkanischen Ereignisse sind: die Bewegungen der Kontinentalplatten, oder kurz: die Plattentektonik.

Die nachfolgende Abbildung zeigt eine Prinzipdarstellung der plattentektonischen Situation im mittleren Mittelmeerraum:

Abb. 1: Plattentektonik im östlichen Mittelmeer. Die grünen Flächen umreißen die Reste ozeanischer Kruste, die von dem großen Urmeer der Thetis übriggeblieben sind. Ansonsten Erläuterung im nachfolgenden Text.

 

Besondere Merkmale dieser Darstellung in Abb. 1 sind:

Erbebenanalyse

Sowohl das Abtauchen einer tektonischen Platte als auch der Aufstieg flüssiger Magmen in Rissen und Spalten der Erdkruste, die bei diesem Aufstieg geweitet werden, sind mit Erdbeben verbunden. Erdbeben in Griechenland und der Ägäis werden von der Seismologischen Station an der Aristoteles Universität von Thessaloniki (AUTH) erfasst.

Die aktuelle Erdbebensituation wird auf der Website dieser Station tagesaktuell aufbereitet: http://geophysics.geo.auth.gr (öffnet auf separatem Reiter). Man sieht an der dortigen Übersichtsdarstellung eine besondere Massierung der Erdbeben an den Grenzen tektonischer Platten.

Die nun dazustellende Analyse im Teilbereich rund um Santorin verwendet einen Erdbebenkatalog dieser Seismologischen Station für die Zeit vom 1.1.1995 bis 30.06.2014. Die tagesaktuellen Daten seit dem 30.06.2014 bis zum jeweils aktuellen Abruftag werden dort in einem sepraten Katalog bereitgestellt. Der Katalog langjähriger Ereignsse enthält für den Zeitraum von Anfang 1995 bis Mitte 2014 62.249 Datensätze mit Erdbebenereignissen einer Magnitude >= 2,0 (Richter-Skala) aus dem gesamten Raum Griechenlands, also insbesondere auch aus der Ägäis. Beben >= 2 sind gut registrierbar, aber noch nicht spürbar. Die Schwelle der von Menschen deutlich wahrnehmbarer Beben liegt bei etwa 3, wobei es natürlich auch auf die Tiefenlage des Bebens sowie dessen Entfernung ankommt.

Die AUTH-Daten habe ich für automatisierte Verarbeitung angepasst und sodann auf den Raum um Santorin gefiltert:

Daraus ergab sich für den fast 20-Jahre-Zeitraum die Zahl von 1034 lokalen Erdbeben mit einer Magnitude >= 2.0, deren Verteilung in Abb. 2 dargestellt ist:

Abb. 2: Erdbeben im Raum Santorin vom 1.1.1995 bis 31.12. 2006 (wesentlich geringere Datendichte) und 01.01.2007 bis 30.06.2014 (höhere Datendichte), gefiltert nach: geografische Breite zwischen 35,8° und 37° N, geografische Länge zwischen 245,8° und 26° Ost, Stärke der Beben – ausgedrückt im Durchmesser der Blasen des Diagramms.

 

Im so begrenzten Raum lassen sich fünf Cluster identifizieren, in denen sich Erdbeben häufen – von SW nach NO:

Im Raum der ca. 23 km südwestlich von Santorin aus dem Wasser ragenden Christiani-Inseln zeigt sich hingegen keine auffällige Erdbebenaktivität mehr. Auch diese 1,2 | 0,25 und 0,001 km² großen Inselchen sind vulkanischen Ursprungs. Hier scheint jedoch die vulkanische und tektonische Aktivität erlahmt.

Santorin markiert somit nur den kleinsten Cluster unter den zu unterscheidenden fünf.

Unverkennbar ist die Ausrichtung der Erdbeben auf einer SW-NO-Achse. Sie folgt ziemlich genau den Vektoren, die die Drift der anatolischen Platte anzeigen (vgl. die roten Pfeile in der tektonischen Übersicht von Abb. 1). Diese Kräfte scheinen also Störungen zu produzieren, an denen Magmen aufsteigen und zur Oberfläche drängen können.

Der klassische vulkanische Inselbogen, der sich an der Kontur der abtauchenden afrikanischen Platte orientiert, tritt also in seiner Bedeutung zurück gegenüber einem Vulkanismus, der sich entlang jener von der anatolischen Platte gebrochenen Störungen in SW-NO-Richtung orientiert. Gleichwohl sorgt die abtauchende afrikanische Platte noch immer für Magmenaufstieg.

Wie die Auswertung der Beben in Abb. 4 nach Tiefe der Epizentren zeigt, hat die abtauchende afrikanische Platte den geringsten Anteil an den Erdbebenaktivitäten:

Abb. 4: Erdbeben im Raum Santorin vom 1.1.1995 bis 30.06.2014, gefildert nach geografischer Breite zwischen 35,8° und 37° N, Tiefe des Epizentrums in km und Stärke des Bebens – diese ausgedrückt im Durchmesser der Blasen im Diagramm. Zugrundegelegt sind auch hier die Beben mit einer Magnitude >= 2 auf der Richter-Skala.

 

Aktuelle Magmaförderung

Die Subduktion der afrikanischen Platte ist weitgehend erlahmt. Die meisten Beben finden auf einer oberflächennahen Etage im Tiefenbereich zwischen 0 und 20 km statt. Sie sind allerdings keineswegs alle durch aufsteigende Magmen bedingt, sondern zeigen vor allem das Fortschreiten von Störungen in der Erdkruste unter dem Druck der anatolischen Platte. Aus den Erdbebendaten allein lässt sich deren Unterscheidung zu Beben, die durch aufsteigende Magmen ausgelöst wurden, nicht gewinnen.

Hierfür sind spezielle Untersuchungen erforderlich, wie sie von einer Wissenschaftlergruppe in den Jahren 2011/2012 durchgeführt wurden:

Die Geologin Michelle Parks (Department of Earth Sciences, University of Oxford) berichtete von auffälligen Hebungen im Santorin-Archipel innerhalb eines Jahres um bis zu 15 cm. Abbildung 5 zeigt deren räumliche Verteilung, wobei das Zentrum der Hebung nördlich der Kameni-Inseln im Zentrum der aktuellen Caldera zu lokalisieren war (roter Punkt).

Die Wissenschaftler schätzten das für diese Hebungen ursächliche, im untersuchten Jahr in die Magmakammer eingedrungene Magma auf 10 bis 20 Mio. m³. 20 Mio. m³ würden einem Würfel von rund 270 m Kantenlänge oder 0,02 km³ entsprechen. Beim Vergleich mit der enormen Masse von 36 km³ ausgeworfenen Bimsen und Aschen im Zuge der minoischen Eruption bedeutet diese nun gemessene Auffüllung der Magmakammer also nur einen sehr kleinen Zuwachs.

Allerdings entspräche dieser Magmenzufluss bis zu 50 % jenes Magmavolumens, das zur Ausformung eines vulkanischen Doms erforderlich wäre. Die Vorgänge gehen also in eine Größenordnung, die einen kleineren Ausbruch vorbereiten könnte, wie er zuletzt 1950 aufgetreten ist.

Die Gefahr einer erneuten ‚plinianischen‘ Eruption von Charakter und Intensität der „minoischen“ besteht dann auf längere Sicht erst mal nicht, doch das Schauspiel eines neuen Schlackenkegels mit Lavastrom könnte noch zu unseren Lebzeiten auf Santorin besichtigt werden. Bis dahin ist aber auch der Blick in die grandiose still daliegende Caldera immer wieder schön (Abb. 6).