Das zukünftige „Ludwigshöhviertel“ in der ehemaligen „Stadt im Wald“
Direktlink auf die Einwendungen zum Planfeststellungsverfahren: Eingabe zur Ludwigshöhanbindung an das RP
2011 herrschte noch freudiger Aufbruch, als die städtische Rahmenplanung für Bessungen Süd entstand. Wohninitiativen träumten von ‚ihren‘ Wohnprojekten am Waldrand der Ludwigshöhe auf dem ehemaligen Militärgelände der amerikanischen Cambrai Fritsch Kaserne. 12 Jahre später herrscht Ernüchterung. In all den Zwischenjahren hat die Stadt Darmstadt einen hochverdichteten neuen Stadtteil durchgeplant, der in die Kernzone eine Großstadt passen könnte, nicht aber an einen solchen Ortsrand. 1.400 Wohneinheiten, die allein von kapitalkräftigen Immobilieninvestoren gestemmt werden können, sollen in sechsgeschossige Wohnkisten gestapelt und zwischen die Waldränder gequetscht werden.
Visualisierung der geplanten sechsgeschossigen Bebauung an der zentralen Achse des zukünftigen Ludwigshöhviertels. Die wenigen nicht abgerissenen ehemaligen Kasernen in der Bildmitte muten in diesem Umfeld geradezu niedlich an.
Menschliches Maß und planerische Umsicht sind dabei auf der Strecke geblieben. Umsomehr wird die Propagandatrommel für das hier entstehende, angeblich „autoarme“ Wohnquartier gerührt. 3.500 „hochwertige Fahrradstellplätze“ werden auf den Baufeldern des zukünftigen „Ludwigshöhviertels“ vorgeschrieben. Mit 2,5 Fahrradstellplätzen pro Wohneinheit sind das mehr als die erwarteten Bewohner. Da rechnet man nur mit 2,2 Menschen pro Wohneinheit. Vom Baby bis zur Greisin sollen also alle aufs Rad umsteigen… und weitere Räder in Reserve halten.
Wie verträgt sich das mit den zugleich geplanten Straßenbau-Projekten? Die Cooperstraße – existierende Verbindung herunter zur Heidelberger – soll ausgebaut und so in den Wald verschoben werden, dass sie mit einer weiteren neuen Straße mitten durch den Westwald eine „versatzfreie“ Kreuzung bildet. Diese neue Straße läuft vorerst unter dem Namen „Planstraße A“ - was Schlimmes befürchten lässt, weil auf ‚A‘ in der Regel ‚B‘ und ‚C‘ folgt. Die neuen Straßen sollten auch genutzt werden - dachten offenbar die Planer und planen in das neue Quartier drei Großgaragen von 16,5 m Höhe auf jeweils 1.800 m² großen Baufeldern, die locker für 1.000 PKW tauglich sind. Insgeheim sollen die zukünftigen Bewohner also doch noch Auto fahren dürfen. Aber selbst diese PKW-Mengen sind ohne Straßenzubau abzuwickeln - schon allein deshalb, weil Hochgaragen ihre blechernden Bewohner nur sehr dosiert ins allgemeine Straßennetz entlassen und weil es die autoverliebten Amerikaner bereits vorgemacht hatten, dass sich ihre Verkehre auf der Cooperstraße abwickeln ließen.
Bleibt die dritte Verkehrs-Komponente: der ÖPNV. Welche Fahrgäste bleiben für Busse und Bahnen noch übrig, wenn die Leute massenhaft Fahrrad fahren und klammheimlich ihre Autos nutzen? Diese Frage hat sich die mitplanende Verkehrsgesellschaft HEAG mobilo bislang nicht gestellt. Denn im Planfeststellungsverfahren zur „Anbindung Ludwigshöhviertel“ wurden keinerlei Daten vorgelegt, die darüber Auskunft geben könnten, mit wie vielen Fahrgästen zu welchen Zielen aus diesem Quartier in Zukunft zu rechnen wäre. Mit geplanten 3.100 Bewohnern würde das Ludwigshöhviertel weniger als halb als groß wie Wixhausen werden. In Wixhausen gibt es keine Straßenbahn, im Ludwigshöhviertel sollen hingegen gleich zwei neue Straßenbahn-Anschlüsse gebaut werden: eine einfache Verlängerung der Linie 3 Richtung Norden sowie eine neue Straßenbahnspange nach Südwesten mitten durch den Wald zur Heidelberger Straße. Das ist als Konzept wie auch in den planerischen Details maßlos überdimensioniert, kostet ein Heidengeld bei der Investition wie auch im späteren Betrieb.
Die Bürgerinitiative „Waldverteidigung Bessungen Süd“ hat Alternativen zur ÖPNV-Anbindung des Ludwigshöhviertels vorgeschlagen, die an die Rahmenplanung Bessungen Süd aus 2011 anknüpfen. Eine Straßenbahnverlängerung der Linie 3 als Verbindung in die City reicht völlig aus und dürfte auch wirtschaftlich sein. Die Verbindung zum Hauptast der Darmstädter Straßenbahnen in der Heidelberger Straße, weiter zur dort angrenzenden Lincoln-Siedlung, zum Einkaufszentrum „Bessunger Marktplatz“ und zum regionalen Schienenverkehr am Südbahnhof kann ein Shuttlebus übernehmen. Damit könnte die „Wissenschaftsstadt“ endlich einmal nachweisen, dass sie tatsächlich zukunftsfähig ist und perspektivisch autonom fahrende Busse in den Blick nimmt, statt mit einem starren neuen Schienensystem den hoch gefährdeten Wald weiter zu zerstören.
Alternativvorschlag der Bürgerinitiative „Waldverteidigung Bessungen Süd“: Verlängerung der Straßenbahnlinie 3 bis zu einer neuen Wendeschleife in der ehemaligen Jefferson-Siedlung (blaue Linie) und Shuttle-Bus durch die Neubauquartiere bis zum Südbahnhof (grüne Linie). Die städtische Planung zur Cooperstraßenverschiebung und ihrer Verlängerung über die „Planstraße A“ verläuft durch den Wald entlang des roten Schriftzuges „Keine neuen Verkehrstrassen durch den Wald!“