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Gemeinsamkeiten und Gegensätze großer neolithischer Stätten

Dieser kurze Artikel soll Interesse wecken für die Ausgrabungsstätte Göbekli Tepe in Ostanatolien zwischen den Oberläufen von Euphrat und Tigris, im Zentrum des für die kulturelle Entwicklung des Menschen so wichtigen „Fruchtbaren Halbmonds“.
Vier Stätten werden kurz angesprochen, die Wichtiges zur Deutung der rätselhaften Funde an einem der ersten Orte beisteuern können, an denen der Mensch sesshaft geworden ist. Ausführlich wird die Deutung dieser Funde und insbesondere der dort gefundenen monumentalen T-Pfeiler in (vorerst) einem PDF-Dokument angegangen: Die T-Pfeiler von Göbekli Tepe

Göbekli Tepe in Ostanatolien

Der Göbekli Tepe – im Wortsinn etwa „bauchiger Hügel“ – ist eine der bedeutendsten und ältesten Fundstellen des Neolithikums (Jungsteinzeit) und zugleich eine der jüngsten archäologischen Entdeckungen in seiner Relevanzklasse. Erst seit 1995 wird hier in Ostanatolien nahe der türkischen Provinzhauptstadt Urfa gegraben. Dabei sind beeindruckende Befunde zutage gebracht worden – ringförmige Strukturen aus wohlgefügten zugerichteten Steinen, deren Besonderheit darin besteht, dass sie mächtige Monolithen integrieren (Abb. 1). Diese plattigen, bis zu 5 m hohen Pfeiler waren von den Steinzeitkünstlern in T-Form gebracht worden. Sie sind zum einen radial ausgerichtet in die Ringmauern integriert, zum anderen stechen besonders mächtige Pfeilerpaare hervor, die fast zentral innerhalb der Rundbauten aufgestellt wurden. Viele dieser Pfeiler sind mit Reliefs ausgestaltet, vor allem mit Tiermotiven sowie piktogrammartigen Zeichen.

Diese Anlagen datieren in eine Zeit, in der die Töpferkunst noch nicht erfunden war und die deshalb präkeramisches Neolithikum genannt wird. Die Rundbauten von Göbekli Tepe entstanden nur in der ersten Hälfte dieser Phase, ungefähr zwischen 9.600 und 8.800 v.u.Z. Danach wurden – immer noch im präkeramischen Neolithium – rechteckige Raumstrukturen errichtet, in denen die rätselhaften T-Pfeiler zwar noch eingebaut wurden, aber nur noch eine untergeordnete Bedeutung hatten.

Stonehenge in England

Über 3.600 km (Luftlinie) entfernt und um die 7.000 Jahre später entstanden Strukturen in Südengland, die als „Stonehenge“ (Abb. 2) bislang ungleich bekannter sind als das wesentlich ältere „anatolische Stonehenge“ von Göbekli Tepe. Die beiden Fundorte weisen – trotz enormer zeitlicher und räumlicher Distanz – große Ähnlichkeiten auf.

Unsere heutige Sicht auf Stonehenge ist nur noch von dem innersten Kreis aufgerichteter Monolithen geprägt, weil die drei äußeren Steinringe verschwunden sind und lediglich über ihre Aufstelllöcher identifiziert werden konnten (hellbraun gefüllte Kreise in Abb. 2). Die Errichtung des inneren Pfeilerrings wird auf 2.440 bis 2.100 v.u.Z. abgeschätzt. In beiden Anlagen stehen Pfeiler im Kreis. Anders als in Göbekli Tepe sind die Stonehenge-Pfeiler des erhalten gebliebenen inneren Rings nicht radial, sondern entlang der Kreislinie ausgerichtet. Innerhalb dieses Steinkreises stehen in beiden Anlagen besonders markante Pfeiler: in Stonehenge sind das Doppelpfeiler, die einen Architrav tragen (wegen dieser drei Elemente „Trilithen“ genannt), in Göbekli Tepe sind das Einzelpfeiler, die einen Architrav bereits mit dem Querbalken in ihrer T-Form integrieren. Die Stellung dieser Pfeiler ist sehr ähnlich – zumindest was die ‚hinteren‘ beiden Pfeiler der insgesamt fünf von Stonehenge betrifft. In beiden Anlagen sind die Pfeiler auf einen Eingang gegenüber ausgerichtet, der in Stonehenge von Nordosten, in Göbekli Tepe hingegen von Süden in die Anlage führt.

Çatal Höyük bei Konya

Solch große Ähnlichkeiten in zwei weit voneinander entfernten Räumen und Zeiten stehen in krassem Gegensatz zu grundsätzlichen architektonischen Unterschieden zwischen neolithischer Anlagen, die  in einem sehr engen räumlichen und zeitlichen Kontext stehen: Gemeint ist die als erste Stadt der Steinzeit eingeordnete Siedlung von Çatal Höyük im anatolischen Hochland südlich von Konya – nur um die 550 km (Luftlinie) von Göbekli Tepe entfernt (vgl. zur Lage die Abb. 3).

Diese Steinzeitstadt ist dem keramischen Neolithikum zuzuordnen und schließt damit historisch an das präkeramische Neolithikum an. Zwischen beiden steht aber offenbar nicht nur die Innovation der Töpferkunsterfindung, sondern auch ein Kulturbruch in Architektur und Religion. Denn Çatal Höyük kennt weder Rundformen wie in Göbekli Tepe noch die dort besonders markanten T-Pfeiler.

Die Stadt bestand über zehn (oder auch mehr) Siedlungsphasen hinweg immer aus rechteckigen, unmittelbar aneinander gebauten Ein-Raum-Häusern, mit einer stabilen spezifischen inneren Gliederung was die Lage von Herd, Backofen, Schlafplätzen und Erschließung über das Dach anging (vgl. Abb. 4). Diese Häuser/Räume wurden in identischer Struktur sowohl für Wohn- wie für kultische Zwecke genutzt. Kultische Besonderheiten fanden sich nicht in Architekturteilen sondern ausschließlich in Reliefs, Plastiken und Wandmalereien, also Ausgestaltungen von Architekturteilen, wie sie bereits als Reliefs in Göbekli Tepe an den T-Pfeilern zu finden waren. Andererseits gibt es in den Inhalten dieser Bildprogramme starke Kontinuitäten zwischen Göbekli Tepe und Çatal Höyük  zu entdecken, etwa in der Stiersymbolik oder bei der durchgängig erkennbaren Relevanz einer weiblichen Urgöttin.

Tenta auf Zypern

Eine vierte Gruppe bedeutender neolithischer Fundstätten sei abschließend genannt: Sie liegen zu Göbekli Tepe ähnlich weit entfernt wie Çatal Höyük (vgl. Abb. 3), datieren aber etwas früher, nämlich in die späte Phase des präkeramischen Neolithikums, das auf Zypern zwischen 7.000 und 5.200 v.u.Z. datiert wird (Kalavasos-Tenta S. 22). Diese Fundstätten zeigen auffällige bauliche Übereinstimmungen mit Göbekli Tepe, denen aber der „Geist“ verlorengegangen zu sein scheint. Gemeint sind die zahlreichen neolithischen Siedlungen auf Zypern, insbesondere die heute „Tenta“ genannte Ausgrabungsstätte nahe Kalavasos, etwa auf halber Strecke zwischen Limassol und Larnaca (Abb. 5). Hier gibt es noch die in Ringmauern integrierten Pfeiler, sogar jenen besonderen Typ doppelter Ringmauern wie in Struktur C von Göbekli Tepe, ferner jene Doppelpfeiler im Zentrum von Rundbauten (nicht im Ausschnitt der Abb. 5). Formal ähnelten sich also die architektonischen Strukturen. Doch die Tenta-Pfeiler sind hier keine Monolithen, haben auch keine T-Form mehr, sondern wurden wie die Ringmauern aus Bruchsteinen oder Lehmziegeln errichtet und gleichermaßen verputzt (dies wie in Çatal Höyük). Die zentral positionierten Pfeilerpaare tragen hier ganz profan eine Zwischendecke, die den rein zu Wohnzwecken errichteten zyprischen Rundhäuser eine Schlafebene ergänzen.

Deutung

Ein erster vertiefender Essay in diesem Website-Bereich versucht vor allem eine Erklärung für die besondere Form der ostanatolischen T-Pfeiler zu finden. Die Ausgräber haben darin anthropomorphe Formen gesehen. Dem wird im Essay über Die T-Pfeiler von Göbekli Tepe widersprochen (die PDF-Datei mit gut 6 MB öffnet auf einem separaten Browser-Reiter).

Über den Besuch der Ausgrabungsstätte selbst berichtet „Göbekli Tepe Ade“ auf dieser Website, auch in einer PDF-Version bereitgestellt.