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Resultate zu dieser Exkursionsplanung aus Erkundungen vor Ort und weiterer Literaturrecherche werden hier berichtet: Vulkanismus in Homers Welt?
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In Hephaistos’ Werkstatt
Planung einer Exkursion zu Kilikiens Vulkanen
Vorbemerkung
In meiner Untersuchung zur Lage des achaiischen Schiffslagers – Der Kampf der Götter und Naturgewalten – wird Hera zitiert, wie sie gegen den Flussgott Skamandros ihren Sohn Hephaistos in die Schlacht bugsiert:
Auf, mein Kind, du Hinkfuß, erheb dich, denn dir gegenüber
Haben den wirbelnden Xanthos wir gleich geachtet im Kampfe.
Komm jetzt eilend zu Hilfe und laß viel Feuer entflammen.
Hera bringt also im Kampf der Naturgewalten gegen das Wasser das Feuer ins Spiel, für das ihr Göttersohn Hephaistos 'zuständig' ist. Bei solchem Feuer im Konflikt mit Wasser denkt man vor allem an Vulkanismus, wenn glühende Lava ins Meer strömt. Für eine solche naturwissenschaftliche Erklärung des mythologisch überhöhten Geschehens gibt es in Kilikien tatsächlich Anknüpfungstatsachen, nämlich einen noch sehr jungen küstennahen Vulkanismus, den es zu erkunden gilt.
Ein Homer, der im Kontext der assyrischen Expansion nach Kilikien gelebt hat, konnte deshalb durchaus mit Vulkanismus in Berührung kommen und zwar bereits assyriennah im Osten von Kilikien, am Ende des Golfs von Issos (heute: Iskenderun), wo jede nach Kilikien entsandte Armee durchziehen musste.
Vulkanismus in Kilikien
Der Golf von Issos / Iskenderun liegt in einer tektonisch brisanten Gegend. Hier stoßen drei Kontinentalplatten aufeinander (Abb. 1):
- Spitz auslaufend ragt hierher das nordöstliche Ende der Afrikanischen Platte, deren Nordbewegung aber weitgehend erlahmt ist (symbolisiert durch den kurzen Pfeil unterhalb von Zypern, wo die Platte subduziert wird, diese Subduktion aber zum Stillstand gekommen ist, weil der untermeerische Berg „Eratosthenes“ – ein Kontinentalsplitter in der ozeanischen Kruste der afrikanischen Platte – nicht zur Subduktion gebracht werden kann).
- Entlang des Ostrandes der afrikanischen Platte schiebt sich hingegen mit Macht die Arabische Platte nach Norden, die sich weiter südlich gerade von Afrika abtrennt.
- Unter dem Druck der arabischen Platte driftet die Anatolische Platte, zu der auch Zypern gehört, kräftig nach Westen.
Abb. 1 zeigt die am Golf von Iskenderun aufeinander stoßenden und driftenden tektonischen Platten. Ihre Bewegung führt zu Spannungen, die sich in großräumigen Störungen der Erdkruste entlasten. Eine wesentliche Störung dieser Art wird in der geologischen Kartierung deutlich (schwarzer Balken von links unten nach rechts oben in Abb. 2).
In der Bildmitte von Abb. 2 fällt ein lila Fleck auf, der sich aus der Kombination von Legendenerläuterungen als großflächiger basaltischer Vulkanismus (lila mit Markierung „B“) darstellt, der in die Zeit des Pleistozäns (= Abschnitt des Quartärs, Markierung „qp“) und somit in die jüngste erdgeschichtliche Zeit von vor 1,8 Mio. bis 10.000 Jahren vor heute zu datieren ist. Dieser Vulkanismus steht offensichtlich in Zusammenhang mit der genannten-Störung, an der entlang die Magmen aufgestiegen sein werden (ein Pendant findet sich südöstlich, angeschnitten in der unteren rechten Ecke der Abb. 2 neben einer weiteren parallel laufenden Störung und ebenso jungem Magmatismus).
Der große Vulkanismusfleck in der nur die geologischen Grundzüge darstellenden IGM 1500 differenziert sich bei genauerer Kartierung insofern, als sich entlang der großen Störung weitere kleinere vulkanische Gebiete finden, die in einer türkischen Studie dargestellt wurden (Abb. 3).
Abb. 3: graue Flächen: Vulkanismus-Gebiete entlang der großen SW > NO-Störung (Bulut 2008, Abb. 3.3). In der Bildmitte der kleine Basaltvulkan Toprakkale, südwestlich davon das große Vulkanismusfeld mit dem über 400 m hohen Delihalil Tepe-Aschenvulkan.
Dieser Vulkanismus dürfte eher ins jüngere Pleistozän zu datieren sein, weil sich das Gelände noch so vegetationsarm zeigt (zumindest vom Google Earth-Eindruck her) und die Erosion bislang nur wenig Nivellierung bewirkt hat. Im Zentrum der Fläche liegt ein Aschevulkan, der sich in dieser küstennahen Gegend immerhin auf über 400 m erhebt und damit fast die Höhe jenes aus erosionsbeständigen Gesteinen aufgebauten Bergzugs erreicht, der von Ceyhan bis herunter zur Küste am ehemaligen Hafen von Mallos und der dortigen historischen Pyramos-Mündung führt. Dieser höchste Vulkan inmitten zwei kleinerer, an die 250 m hohen Nachbarn westlich und nordöstlich trägt den Namen „Delihalil Tepe“. Offenbar werden dort Aschen abgebaut, was bei einer Besichtigung zu klären wäre.
Dieser Vulkanismus zeigt sich so frisch (und war zu Homers Zeiten noch frischer) dass jeder, der einmal einen Vulkan erlebt hat, sich die gewaltige Eruption vorstellen kann, die hier vonstattenging und einen (heute noch) 400 m hohen Aschevulkan aufschüttete – auch wenn dies nicht zu Lebzeiten des Berichterstatters Homer passiert sein muss. Dann wäre für einen ortskundigen Dichter mit naturwissenschaftlichem Verständnis der Bezug zur Mythologie mit Hephaistos, der in Vulkanen wirkt, gar nicht weit hergeholt. Daraus ergibt sich bekräftigend, dass die Ansiedlung von Homer in der Konfliktregion zwischen Assyrien und Kilikien ein durchaus verfolgenswerter Gedanke ist.
Randnotiz:
Ein mythischer Bezug zum Vulkanismus dürfte für den vorderasiatischen Raum in der Frühgeschichte bedeutend gewesen sein. Naturwissenschaftlich besehen erscheint der Gott des Alten Testaments geradezu als Vulkan. Darauf gibt es Bezüge im „Exodus“, Kapitel 19, Editionstitel „Erscheinung des Herrn“, wo Gott aus einem der Vulkane auf der arabischen Halbinsel ‚sprach‘, an denen der Zug der Israeliten vorbeigekommen sein dürfte (der namentlich genannte „Sinai“ selbst war und ist hingegen in jüngerer Erdgeschichte nicht vulkanisch):
[17] Und Mose führte das Volk aus dem Lager Gott entgegen und es trat unten an den Berg.
[18] Der ganze Berg Sinai aber rauchte, weil der Herr auf den Berg herabfuhr im Feuer; und der Rauch stieg auf wie der Rauch von einem Schmelzofen, und der ganze Berg bebte sehr.
Die Burg Toprakkale auf einem Vulkankegel
Anders als die großen Aschevulkane aus basaltischen Magmen im eben beschriebenen großräumigen Vulkanismusfeld am Golf von Iskenderun erhebt sich etwas weiter nordöstlich ein ‚echter‘ Basaltvulkan. Er ist nur ein kleiner vulkanischer Tupfer in der weiten vulkanischen Landschaft des östlichen Kilikiens und nicht in der geologischen Kartierung von Abb. 2, jedoch in der von Abb. 3 enthalten. Auf diesem Vulkan wurde (zumindest) seit Kreuzfahrer- und byzantinischer Zeit eine Festung errichtet, die seitdem wechselnde Herrscher und Bauherren gehabt hat (vgl. im Einzelnen den Artemis-Cicerone-Führer). Die Burg trägt heute den Namen der nur zwei km nördlich gelegenen Kleinstadt Toprakkale und liegt in einem Straßendreieck (Abb. 4):
Abb. 4: Übersichtsplan über die Lage der Burg Toprakkale südlich des gleichnamigen Orts (roter OSM-Pin) westlich der Großstadt Osmaniye.
Grundriss und Aufsicht aus dem All zeigt die Kombination einer Google Earth-Ansicht mit einem Lageplan:
Der im nördlichen Teil bewaldete Burgberg war 1986 im Artemis-Cicerone-Führer (Artemis 1986) noch als völlig freier Nordhang abgebildet)
Die Piste von der Straße links unten führt bis zum nördlich gelegenen Tor D. Hier hindurch gelangt man in die Unterburg C. Von dort erreicht man vor der Nordmauer der Oberburg A über eine schmale Felsschneise den Zwinger B, der sich auf um die Ostseite der Oberburg herum bis Süden fortsetzt. Dort auf der Mitte der Ostseite ist auch das Haupttor zur Oberburg F.
Die Burg ist offenbar (nach einem Wikipedia-Foto zu urteilen) aus dem örtlich anstehenden Basalt erbaut.
Exkursionsprogramm
Daraus ergibt sich ein einfacher Rundgang durch die Burg Toprakkale (den Anstieg erspart der Zufahrtsweg) und ein Rundgang um den Aschenvulkan „Delihalil Tepe“. Auf Google Earth sind zwar Pfade um den Vulkan erkennbar (vgl. teilweise Kartierung in der Swap-Abbildung), doch den Weg wird man erst vor Ort finden müssen. Geoposition der Burg Toprakkale.
Swap-Bilder zum Feld der Aschevulkane
Die ganze Gegend ist großräumig von der rostroten Farbe der vulkanischen Aschen geprägt. Um den flacheren westlichen Aschenvulkan ist etwas Landwirtschaft entstanden. Ansonsten sind die Flächen nur karg bewachsen. Die botanische Studie von Bulut 2008 hat aber eine differenzierte Flora ergeben. Das englischsprachige Abstract der türkischsprachigen Untersuchung meldet immerhin acht gefährdete und acht endemische Arten in diesem – anders als auf Inseln – nicht abgeschotteten Habitat:
By examining a total of 417 plant specimens that were collected between 2007-2008, 153 genera and 197 taxa belonging to 52 families were identified. 8 (4%) of the 197 taxa were in endangered class and 8 (3,9%) of them were endemics. The largest 5 family according to their taxa numbers are as follows:
Compositae 24 (14%) taxa, Gramineae 22 (12%) taxa, Leguminosae 18 (10%) taxa, Labiatae 11 (6%) taxa, Liliaceae 10 (6%) taxa. The scattering ratio of the taxa for the phytogeographic regions are as follows: Cosmopolitans 92 (52%) taxa, Mediterranean elements 73 (41%) taxa, Euro-Siberian elements 7 (4%) taxa, Irano-Turanien elements 6 (3%) taxa.
Rechts unten im Anschnitt beginnt ein großes Industriegebiet von Osmaniye (hellrot in der OSM-Karte, weiße Gebäude in der Google Earth-Ansicht): die Osmaniye Organize Sanayi Bölgesi / Osmaniye Organized Industrial Zone (Website nur türkisch-sprachig).
Resultate zu dieser Exkursionsplanung aus Erkundungen vor Ort und weiterer Literaturrecherche werden hier berichtet: Vulkanismus in Homers Welt?
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