Exkursionsberichte aus Griechenland 2019
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Der Stymfalia-See und seine Karstsysteme
Übersicht:
- 1. Ein Binnenbecken im Naturzustand
- 2. Durch weitere Binnenbecken zur Küste
- 3. Karstquellen an der Küste
Ein Binnenbecken im Naturzustand
Stymfalia ist das einzige der rundum von Bergen eingeschlossenen und daher oberflächig abflusslosen Binnenbecken auf dem Peloponnes, das sich in seinem zentralen Teil noch in einem naturnahen Zustand präsentiert. Zur Bewahrung dieses Naturzustandes hat man hier auf vollständige Drainage zwecks Gewinnung landwirtschaftlicher Flächen verzichtet und bewahrt den Röhricht als Habitat vieler Vogelarten sowie eines endemischen Fisches (Griechische Elritze / Pelasgus stymphalicus).
Bei unserem Besuch im April 2019 waren die ausgedehnten Röhrichtflächen auf Grund der zuvor niedergegangenen reichhaltigen Niederschläge in spektakulärer Weise aufgestaut (Abb. 1).
Auch die Ruinen der antiken Stadt unterhalb der Sockelmauer am Rand des Felsrückens standen unter Wasser (Abb. 2). Die große, aus dem Felsen geschlagene Agora (Nr. 5 in Abb. 4), die gefassten Brunnen, die Grundmauern der römischen Villen (Nr. 7 in Abb. 4) und der auch durchs Becken führenden Stadtmauer (gelb in Abb. 4) waren vom Aufstau ebenso betroffen wie die Orchestra (Spielfläche) des antiken Theaters (Nr. 6). An einen unter normalen Umständen unproblematischen Rundgang auf dem Grund der Ebene um den Siedlungsfelsen der antiken Stadt herum war daher nicht zu denken. Auch der vom römischen Kaiser Hadrian veranlasste Kanal, der die Quellwässer vom nördlichen Rand der Ebene über 84 Kilometer bis zum antiken Korinth geleitet hatte, war in seiner Trasse quer durch das Becken vollständig überflutet.
Uns präsentierte sich damit ein Zustand, wie er historisch nur dann eingetreten war, wenn die Schlucklöcher im Karst der umgebenden Kalkberge durch Eintrag von Schwemmholz oder durch Gesteinseinbruch in Folge von Erdbeben verstopft worden sind. Diese Karst-Schlucklöcher, die sich die überstauten Wasser in erdgeschichtlicher Zeit durch das umschließende Kalkgebirge durch Kohlensäureverwitterung geöffnet haben, heißen in Griechenland von alters her „Kathavothren“ (vgl. zum Mechanismus der Kohlensäureverwitterung sowie zu den Karstsystemen des Peloponnes im Allgemeinen und zum Stymfalia-Becken im Besonderen den Text „Binnenbecken“ auf homersheimat.de, Abschnitte 1 und 2 – PDF-Datei).
Das Stymfalia-Becken wurde (und wird) auf diesem Wege vor allem durch die große Katavothre „Gidomantra“ im Südwesten der Ebene entwässert. Meist ist ihr Ablauf nicht vonnöten, weil – trotz Naturschutz – viel Wasser aus dem Becken in angrenzende, nicht naturgeschützte landwirtschaftliche Bereiche abgepumpt wird. Zur Verhinderung ihrer Verstopfung hat man diese Katavothre – wie auch andere Katavothren in den Binnenbecken des Peloponnes – in rezenter Zeit mit einer Ringmauer umgeben, deren Überlaufkante nunmehr das Aufstau-Niveau bei Hochwasser definiert. Auch diese unterhalb einer Felswand gelegene Katavothre konnten wir nicht besichtigen, weil sie nur von unten her über die vorgelagerten Wiesen zugänglich ist. Abb. 3 zeigt ihre Lage. Die offene Wasserfläche zwischen dem Röhricht (untere Bildhälfte) und dem Berghang verdeutlicht auch hier den hohen Wasserstand.
Abb. 4: Bereich der antiken Stadt im Stymfalia-Becken mit Hervorhebung der Stadtmauern (gelb) und des archäologischen Pfades (rot) – nach einer Infotafel im Gelände (ergänzt).
Abb. 4 umfasst den zentralen Abschnitt des nördlichen Beckenrandes mit den dort freigelegten antiken Strukturen vor und auf einem Felsrücken (braun), der den Feuchtbereich des Beckens (hellgrün) von einer etwas höher gelegenen, auch ohne Entwässerungsmaßnahmen landwirtschaftlich nutzbaren Fläche abtrennt (hellbraun). Durch dies Gelände führt seit 2010 ein archäologischer Pfad mit zahlreichen ansprechend gestalteten Infotafeln. Dieser Pfad beginnt beim neuen „Environment Museum of Stymphalia“ (Nr. 1), das Umwelt und Geschichte des Ortes attraktiv präsentiert und zudem von einer großen Terrasse aus mit vormontierten Fernrohren die Vogelbeobachtung im Röhricht unterstützt.
Leider ist der Besichtigungspfad nur linear, es fehlt die Ergänzung zu einem Rundweg nördlich des Felsrückens durch die antike Stadt, die wohl an der dort praktizierten Landwirtschaft gescheitert ist. Gleichwohl findet man auch hier seinen Weg – mit Ausnahme von Hochwassersituationen wie im April 2019.
Die Anlage von wesentlichen Baulichkeiten unterhalb des Felsrückenfußes in spätantiker (römischer) Zeit verweist darauf, dass in dieser Zeit eine effektive Entwässerung des Beckens sichergestellt gewesen sein muss – sonst hätten vornehme Bewohner ihre Villen nicht in den heute wieder überflutungsgeneigten Bereich gebaut. Auch der Hadrians-Kanal musste vor Überflutungen geschützt gewesen sein, weil er nicht einfach das Seewasser, sondern unmittelbar das den See speisende Quellwasser nach Korinth ableiten sollte.
Damit erhält die Sockelmauer am Seeufer (Abb. 2) einen tieferen Sinn, weil sie einen überflutungssicheren Stadtrand schuf. Sie dürfte aus einer Zeit stammen, in der die Seespiegelregulierung nicht beherrscht war. Damals könnte sie (auch) als Kaimauer gedient haben, an der Boote anlegten, mit denen der See abgefischt wurde. Zu dieser ‚Kaimauer‘ führt eine bemerkenswerte, aus dem Fels gehauene Galerie hinab, in die offensichtlich Spurrillen gemeißelt worden sind (Abb. 5; Nr. 4 in Abb. 4). Vielleicht wurden hier in historischer Zeit die Fischerboote hinauf in die Stadt gezogen?
Der Naturschutz und die Bewahrung archäologischer Funde abseits der ‚Leuchttürme‘ haben im Konflikt mit der lobbystarken Landwirtschaft in Griechenland einen schweren Stand. Insofern ist das Stymfalia-Becken eine bemerkenswerte Ausnahme. Das von der EU geförderte Projekt „LIFE-Stymfalia - Sustainable management and financing of wetland biodiversity – The case of Lake Stymfalia“ (EU-online-Quelle LIFE12 NAT/GR/000275) dient dem Schutz eines wichtigen Lebensraums für eine große Anzahl von Arten, darunter Adler und andere Greifvögel, Reiher, Rohrdommel, Ibisse oder Seeschwalben (vollständige Artenliste in der EU-Standard Data Form dieses Natura 2000 Gebiets mit der Kennung GR 2530002). Das Stymfalia-Feuchtgebiet ist zudem ein Haltepunkt für Zugvögel.
Dies Naturschutzprojekt soll erklärtermaßen nicht im Konflikt mit den örtlichen Landwirten und ihrem Wasserbedarf entwickelt werden und sucht deshalb die Kooperation. Es umfasst einen Bewirtschaftungsplan, der den Einheimischen auch ökonomische Chancen einräumt – etwa bei der Verwertung des im See wachsenden Schilfs. Ein interaktives Computerspiel im Umweltmuseum offeriert Besuchern dazu passend einen Eindruck, wie die Röhricht-Ernte mit einem Amphibienfahrzeug eingefahren werden kann (Abb. 6).
2. Durch weitere Binnenbecken zur Küste
Da die Hauptkatavothre des Stymfalia-Beckens (Nr. 5 in Abb. 7) aus den geschilderten Gründen nicht besichtigt werden konnte, steuerten wir gleich die – noch eindrucksvollere – Hauptkatavothre des Matineia-Beckens beim Örtchen Kapsia an (Nr. 12 in Abb. 7). Mit den nachgelagerten Zielen an der Küste führte das sozusagen automatisch zu einer Tour durch mehrere abflusslose Binnenbecken des Peloponnes:
Nach Querung des Passes zwischen Stymfalia- und Scotini-Becken, der vom antiken Hadrian-Trinkwasserkanal nach Korinth in einem Stollen unterfahren wird, und einer Passage entlang des letzteren schmalen Beckens musste über einige Serpentinen ab Scrotini (das dem Becken seinen Namen gibt) mit 1250 m Höhe ein veritabler Pass des peloponnesischen Hochgebirges überquert werden. Bei der Abfahrt liegt das bezaubernde Bergdorf Kandila mit seinen einheitlichen flachen roten Walmdächern beständig im Blick. Es lagert am Beginn des kleinen Hotoussa-Beckens, das ein leichter Sattel vom nachfolgenden Levidi-Becken trennt. Dessen namensgebender Ort liegt ebenfalls etwas erhöht an der südwestlichen Beckenflanke. Dann geht es ein wenig durch Hochtäler des Berglandes, ehe bei Kapsia die Matineia-Ebene erreicht wird.
Die Ebene hat ihren Namen von jener antiken Stadt erhalten, die sich als ummauertes Oval von ca. 1400 x 950 m im Zentrum der Ebene ausbreitete. Das konnte nur unter Bedingungen erfolgreicher Melioration der Feuchtgebiete möglich gemacht werden. Und so hat man auch bei den Grabungen vor den antiken Stadtmauern rundum einen „Fluss“ gefunden, der für diese Entwässerung gesorgt hat (Fougères 1890). Bereits Homer erwähnte dies Matineia – neben u.a. Stymphalos – im Schiffskatalog der Ilias als Teil des arkadischen Kontingents. Dem habe Mykenes König Agamemnon 60 Schiffe spendiert, weil diese Binnenländler „von Meeresdingen nichts wussten“ (Ilias II.603). Später, im peloponnesischen Krieg, haben hier mehrere große Schlachten stattgefunden, weitere in hellenistischer Zeit.
Die Ebene von Matineia entwässert nach Westen zur Katavothre von Kapsia (Abb. 8), die aber die aufgenommenen Wasser durchs peloponnesische Kalkgebirge hindurch wieder zurück nach Osten in den Golf von Argos schickt. Auch diese Katavothre ist seit den großen Wasserbaumaßnahmen in den Binnenbecken Griechenlands Ende des 19. Jahrhunderts ummauert. Man mag sich gar nicht vorstellen, was passiert, wenn einen die reißenden Wasser ohne dies Ummauerungs-Hindernis in das tiefe Loch schwemmen, in dem über die Zeiten sicherlich das eine oder andere Wesen unwiederbringlich im Karstuntergrund verschwunden ist – oder auch verschwunden wurde.
Der Ort Kapsia bietet – neben der eindrucksvollen Katavothre – noch eine weitere Besonderheit: unmittelbar neben dem Karstschluckloch wurde 1892 eine ausgedehnte Tropfsteinhöhle entdeckt (Abb. 9), die heute für Besucher geöffnet ist (nähere Informationen auf argolis.de). Abb. 10 zeigt ihre Kartierung, wie sie von ihren Entdecker und Erforscher N.A. Sidéridès Anfang des 20. Jahrhunderts erstellt wurde (Sidéridès 1911).
Die Höhle ist noch immer ein Geheimtipp, weil sich nur wenige Touristen in die Binnenbecken des Peloponnes verirren. Sie zeigt beeindruckende Sinterfahnen, dichte Felder feiner Stalagmiten, die aus Netzen feiner Klüfte im Kalk herauswachsen sowie große Stalagtiten-/Stalagmitenformationen, an denen sich teilweise frühere Hochwasserstände in der Höhle ablesen lassen.
Die unmittelbare räumliche Kombination eines großen Karstschluckloches (Katavothre) mit einer für den Untergrund des Kalkgebirges typischen Karsthöhle an dieser Stelle ist einmalig auf dem Peloponnes.
Abb. 10: Sidéridès-Plan der Kapsia-Höhle. Höhlenräume sind hier hellocker, die Katavothre ist hellblau hinterlegt. Der heutige Zugangskorridor durch den Fels ist rot markiert, der geführte Rundweg ist als grüne Route angelegt. Er führt durch die beiden großen Säle mit Stichabzweig in den kleinteiligeren, tiefer gelegenen, linken (südlichen) Teil, in den heute ein kleiner Teil der Wasser aus der Ebene an der Katavothre vorbei hineinfließt.
3. Karstquellen an der Küste
Abb. 7 lokalisierte bereits mit den Nummern 111-113, 106 und 167 wesentliche Karstquellen an der Küste, über die sich die in den Katavothren des Binnenlandes verschwundenen Wasser nach ihrer langen Passage durch das Kalkgebirge des Peleponnes ins Meer ergießen. Hinter jeder dieser Nummern müssen wir uns Quellkomplexe mit mehreren Teilquellen vorstellen.
Der Quellkomplex 106 – die Anavalos-Quellen – bietet eine Besonderheit: er entspringt tief im Meer. Dies liegt nicht daran, dass sich die Karstwässer diesen befremdlichen Weg unterhalb des Meeresspiegels gesucht hätten. Vielmehr haben sich die Süßwasser-leitenden Karstsysteme in Zeiten ausgebildet, in denen der Meeresspiegel tiefer lag, so dass die Quellen damals durchaus oberhalb der Küstenlinie sprudelten. Aus Zeitgründen mussten wir leider auf den Blick über diese Anavalos-Quellen verzichten, die auch als „Augen von Lileika“ bezeichnet werden. Der Name ergibt sich aus dem Badeort an der Küste, von dem aus man die Quellen sehen kann, die als zwei große Sprudel ca. 300 m von der Küste entfernt bis zur Meeresoberfläche aufsteigen (Higgins 1996, S. 49).
Stattdessen steuerten wir direkt den Quellkomplex 113 südlich von Kiveri an (Quellsystem in Abb. 11). Der deutsche Ingenieur Wolfgang Ständer (Abb. 13) hatte in den 1950-er Jahren die Idee, diese Quellen durch einen Ring vorgefertigter Caissons (Schwimmkörper aus Beton) zu fassen. Damit sollte das – ähnlich wie bei den Anavalos-Quellen, aber ufernäher – sich ins Meer ergießende Süßwasser für landwirtschaftliche Bewässerungszwecke nutzbar gemacht werden. In jener Zeit war ein grundlegender Umbau der Landwirtschaft in der nahen Argolis in Gang gekommen. Statt dem schon in historischen Zeiten gepflegten Anbau von Weizen, Wein, Obst und Gemüse wurde die Argolis in großem Stil auf Agrumen (Zitrusfrüchte) umgestellt. Deren ganzjährigen immensen Wasserbedarf befriedigten die Landwirte zunächst durch Grundwasserpumpen. Das hatte jedoch eine Überförderung der Grundwasserressourcen zur Folge – mit dem Effekt, dass salziges Meerwasser in den Untergrund der Argolis nachströmte und so auch in die Pumpen gelangte. Großflächig starben daraufhin die mit Brackwasser versorgten Bäume durch Versalzung ab.
Ständers Idee wurde angesichts dieser fatalen Entwicklungen Ende der 1960-er/Anfang 70-er Jahre realisiert. Im abgetrennten Quellbecken entstand ein großes Gebäude, das vier gigantische Pumpen aufzunehmen hatte, von denen – je nach Bedarf – zwei zu gleicher Zeit arbeiten (Abb. 12). Sie können die Spende von stolzen 10 bis 12 m³/s Karstwasser fördern. Hinzu kam der Bau eines langen Kanals, der in weitem Bogen die gesamte Argolis umrundet und später zudem in die östlich benachbarte Assini-Ebene verlängert wurde. Dieser Kanal musste streckenweise über Stollen durch Bergnasen hindurch geführt werden und querlaufende Gewässer dükern. Auch die EU hat sich in den 1990-er Jahren am Ausbau dieses Projektes beteiligt, um die Versalzung der Argolis zurückzuführen (EU-Projekt 94/223/EWG unter eur-lex.europa.eu).
Die gesamte Bewässerungsinfrastruktur dieses „Anavalos-Projektes“ ist heute in einem miserablen Zustand. Die Pumpen werden nur notdürftig gewartet. Der Beton der Caissons platzt ab und legt den Armierungsstahl frei. Die Dichtigkeit des großen Beckens gegen rückströmendes Meerwasser ist in Gefahr. Der große Bewässerungskanal ist in einem ebenso desaströsen Zustand. Im Frühjahr 2019 liefen die Pumpen nicht, weil die reichhaltigen Niederschläge eine künstliche Bewässerung der Agrumenplantagen noch nicht erforderlich machten. Doch im Frühjahr 2018 stand das gesamte System still, weil die Landwirte ihre Wasserrechnungen nicht bezahlten, sondern trotz aller ökologischen Risiken lieber auf kostenlose Grundwasserförderung setzten. Davon zeugen nach wie vor unzählige kleine Windräder in der Argolis, die die Grundwasserpumpen betreiben. Daraufhin konnten die Betreiber des Kiveri-Pumpwerks ihre Stromrechnungen nicht bezahlen, ihnen wurde der Strom abgestellt.
Wenig nördlich von Kiveri, am Südrand von Myli, liegt ein historisch außerordentlich bedeutender Ort: Lerna (vgl. dazu: „Der frühbronzezeitliche Palast von Lerna“ auf homersheimat.de – PDF-Datei). Hier soll der mythische Held Herakles das Schlangenungeheuer der Hydra vernichtet haben, das die örtlichen Quellen beschützte. Noch heute sprudeln die Lerna-Quellen reichhaltig (Nr. 111/112 in Abb. 7). Wie Tracer-Untersuchungen im Karst nachgewiesen haben, werden diese Quellen u.a. aus den Katavothren von Stymfalia und Kapsia gespeist. Von Stymfalia aus benötigen die Wässer im Karst für die ca. 42 km lange Strecke (Luftlinie) um die 260 Tage.
Mehrere Pumpwerke (ebenfalls in sehr schlechtem Zustand) speisen die hier entspringenden Karstwässer in die Trinkwasserversorgung der Region sowie in die landwirtschaftliche Bewässerung ein (Abb. 14).
Einige Kilometer weiter nördlich, nun im Binnenland am westlichen Rand der argolischen Ebene, entspringt eine der stärksten Karstquellen im Dörfchen Kefalari. Sie hat eine große Quellhöhle ausgeformt, die lange als Kirche genutzt wurde, bis herabstürzendes Gestein eine solche Nutzung zu riskant machte (Abb. 15). Der Ort mit seinen Cafés an den Becken ist ein beliebtes Ausflugsziel. Die Karstquelle speist den Erasinos-Fluss, der früher ganzjährig wasserführend in den nahen ehemaligen „Lerna-See“ floss. Das war ein flacher Binnensee am südlichen Rand der argolischen Ebene, nur durch eine schmale, im Wechselspiel von Flusswasser und Meeresbrandung aufgeworfene Nehrung vom argolischen Golf getrennt. Er ist inzwischen fast verlandet und galt in der Mythologie als Eingang zur Unterwelt.
Im Frühjahr 2019 war der Quelltopf von Kefalari gut gefüllt und man konnte an mehreren Stellen die Quellsprudel sehen. Im Frühjahr 2018 war die Quelle jedoch versiegt. Da der Quelltopf auch vom Anavalos-Kanal durchströmt wird, das zugeordnete Pumpwerk in Kiveri aber im Mai 2018 aus den besagten Gründen stilllag, bot der Quelltopf damals ein trauriges Bild. Statt Quellwasser hatte sich eine üppige Vegetation in den von Betonmauern umgebenen Becken ausgebreitet (Abb. 16).
Auch die Erasinus-Quellen von Kefalari (Nr. 110 in Abb. 7) speisen sich aus den Karstsystemen des Hinterlandes. Konkret stammt ihr Wasser aber nicht aus Stymfalia, sondern aus den ihm südlich vorgelagerten Scotini- und Alea-Becken mit den Katavothren Nr. 6 und 12 (Nummern in Abb. 7). Solche Zuordnungen wurden erst durch moderne Forschungsinstrumente ermöglicht. Umso erstaunlicher ist es, dass bereits in der Antike eine Vorstellung über die wasserleitenden Karstsysteme bestand. So berichtet der griechische Reiseschriftsteller Strabo (1. Jh. nC, Buch VIII 6.371):
Einer der Argolis durchströmenden Flüsse ist also der Inachus, ein anderer Fluß in Argolis ist der Erasinus. Dieser nimmt seinen Ursprung bei Stymphalus in Arkadien aus dem dortigen sogenannten Stymphalischen See, in welchen die Fabel die durch Herakles‘ Pfeile und Handtrommeln verscheuchten Vögel versetzt, die selbst auch die Stymphalischen heißen. Man sagt, dass dieser Fluß, nachdem er sich unter der Erde verborgen, in Argolis wieder hervorbreche und die Ebene bewässere.
Michael Siebert, Juli 2019
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Die im Bericht angesprochenen Literaturnachweise sind einer PDF-Datei angehängt, in der alle Berichte zur Exkursion 2019 in einer druckfähigen Version zusammengestellt werden: Exkursionsberichte Griechenland 2019-I (16 MB).
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