Aus den Kratern zum Himmel

Das Louvre Lens in seinem verschwiegenen Park

Zu diesem Artikel gibt es auch eine Druckversion im PDF-Format mit feiner aufgelösten Bildern und Grafiken: Louvre Lens.pdf.

Zu den im Artikel angesprochenen Kriegserinnerungen folgt am Ende dieser Webseite (nicht in der PDF-Version) eine kleine Bildergalerie: ...zur Geschichte von Lens in den Weltkriegen

 

Das wohl bedeutendste Museum der Welt, das Louvre in Paris hat im Dezember 2012 eine Außenstelle in der nordfranzösischen Stadt Lens eröffnet. Es folgte damit einer den traditionellen französischen Zentralismus relativierenden Strategie, die bereits das Pariser Centre Pompidou mit seiner beeindruckenden Außenstelle im lothringischen Metz begonnen hatte. In Lens, im früheren Zentrum der nordfranzösisch-belgischen Bergbauregion des „Bassin minier du Nord-Pas-de-Calais“ (Abb. 1) drängte die Frage, wie der Zerfall von Stadt und Region durch Untergang einer früher alles beherrschenden Industrie aufgehalten und umgekehrt werden könne.

Die typische französische Antwort auf ein solches Problem ist eine mächtige Kulturoffensive. Und fürwahr entstand mit dem Louvre in Lens auf dem Gelände eines früheren Bergwerks ein beeindruckendes Projekt, das man anderenorts (und wo es dann meist nicht passt) gerne „Leuchtturm-Projekt“ nennt. Dieser Begriff würde allerdings den hier tätigen SANAA-Architekten nie über die Lippen kommen, deren Credo ein Minimalismus ist, unter dessen Realisierungs­schwelle eine „Architektur nur noch durchsichtig und unsichtbar“ wäre.

Dies Museum ist sowohl wegen seiner Architektur als auch wegen seiner aus den reichen Schätzen des Louvre Paris schöpfenden Ausstellungen eine Reise wert. Ich will gar nicht versuchen, diese Reise durch einen Bericht zu ersetzen und hier nur auf einen Aspekt aufmerksam machen, den man beim Staunen über die glänzenden Fassaden aus gebürstetem Aluminium und dem, was sie bergen, leicht übersehen kann, nämlich mit dem, was man nüchtern „Außenanlagen“ nennt.

Meist gehören Außenanlagen notgedrungen zu einem Gebäude dazu, wenn diesem nicht gerade in geschlossenem städtischem Umfeld jegliche Freifläche fehlt. Investoren kostet die Ausgestaltung dieser Flächen nur Geld, das keine Einnahmen bringt, und so wird diese Aufgabe oft als lästige Pflichtübung abgehandelt.

Von unserer örtlichen „Bauverein AG“, dem größten und durchrationalisierten Träger von Bauvorhaben in Darmstadt, ist man es gewohnt, dass Außenanlagen in der Realität so steril aussehen wie in den vorab-Visualisierungen aus den Vektorgrafikprogrammen der Architekten-Computer: Rasenfläche in Betonsteinfassung, junges Bäumchen in runder Baumscheibe zwischen drei hölzernen Haltestäben, Stahlgitterzaun und viel Beton für Zuwegung von Personen und Fahrzeugen – fertig. Man übersieht es aus purer Gewöhnung leicht, dass derartige Investorenrationalität leider überall die Stadträume definiert!

Macht das jeder so? Das Bundesbauministerium bringt es in seiner Spezifikation „BNB Außenanlagen von Bundesliegenschaften“ (wo „BNB“ für „Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen“ stehen soll) auf ein stolzes Konvolut von 34 MB. Verteilt auf 27 pdf-Dateien (Stand Abruf Juli 2015) wird so ziemlich alles geregelt, was heute modern bis angesagt ist, von der Inklusion über die Nachhaltigkeit der Baumaterialien bis zur Biodiversität. Da stöhnt der Architekt aus tiefster Seele über das bürokratische Monstrum, dessen unzählige Facetten er bei seiner Planung berücksichtigen soll. Hat er noch Ambitionen, so wird er sich fragen, wo denn in diesem Spezifikationswahn die architektonische Idee, die Würdigung von Architektursprache, der Anspruch auf künstlerische Gestaltung untergegangen ist. Und er denkt vielleicht an Lens und wünscht sich nur einmal einen solchen Auftrag, der ein freies Konzept ermöglicht, so unbändig, wie man es in modernen deutschen „Außenanlagen“ noch nicht gesehen hat.

Bei der Gestaltung der Außenanlagen des Louvre Lens wurden der französischen „paysagiste“ Catherine Mosbach (Abb. 2) offenbar große Freiheiten eröffnet.

Website Catherine Mosbach

Abb. 2: Der vollständige Web-Auftritt von Catherine Mosbach, die die Außenanlagen des Louvre in Lens gestaltet hat, unter www.mosbach.fr: nur E-Mail- und Postadressen sowie eine Grafik, die unter der Anmutung von Natur auch die Lücken darin bzw. das Negativ des scheinbaren Bildes betrachtet. Eine radikale Reduktion, die zum Konzept des japanischen Partnerbüros der Louvre Lens-Architekten SANAA (Sejima And Nishizawa And Associates) passt.

 

Diese Freiheiten hat sie in der Sache gewaltig, in der Kommunikation darüber aber erstaunlich zurückhaltend genutzt. Hier wird kein Konzept auf einem Serviertablett der Offensichtlichkeit präsentiert. Die Dinge sehen eher unfertig aus und verstecken sich zudem hinter Konnotationen, die harmlose falsche Spuren zu legen scheinen. Nur wer sich von dem Widerspruch dieser Spuren zu dem, was real zu sehen ist, irritieren lässt, wird Verständniseinstiege finden.

Das fängt mit jener thematischen Einordnung an, die als einzige den durchaus nur rar verfügbaren textlichen Erläuterungen zu entnehmen ist: Das Louvre in Lens sei auf dem geschlossenen Gelände eines Bergwerks gebaut worden und nehme in der Gestaltung seines Umfeldes („Außenanlagen“) Spuren dieser Bergwerksgeschichte auf.

Ok. Da findet sich bei genauerem Hinsehen ein Schild in der hier üblichen Dreisprachigkeit mit der kargen Aufschrift: „PUITS | MINE SHAFT ENTRANCE | MIJNSCHACHT“ (3952). Dahinter sieht man einen Hain jüngerer Bäume in einer kleinen Senke, umgrenzt von einem befestigten Weg, darin aber nicht wirklich einen Minenschacht, sondern eher einen Bunkerrest am Rande. Das Ganze mutet wie eine mit der Zeit und dem Wachstum der Bäume immer dunkler werdende Erinnerungsstätte unter schattenspendender Vegetation an. Aber an was erinnert sie wirklich?

Die in historischen Fotos erkennbaren Halden­land­schaften auf dem heutigen Louvre Gelände sind jedenfalls nicht mehr vorhanden, sie waren bereits durch Nutzungen lange vor dem Museumsbau beseitigt worden – ebenso wie eine Bahntrasse, die historisch durch das Gelände führte und auf deren ehemaliger Trasse nun mittenauf die Museums­gebäude platziert sind (Abb. 3).

Faktisch wird also keine Rücksicht auf die räumlichen Strukturen der Bergbaugeschichte genommen. Noch zeigt Google Earth (im Sommer 2015) den Zustand vor Museums-Baubeginn und Bing (etwas aktueller) die Situation während des Museumsbaus. So kann noch nachvollzogen werden, dass die einzige Reminiszenz an die Vorgeschichte jener kleine runde Hain ist, an dem das zitierte Schild einen ehemaligen Bergwerksschacht lokalisiert. Schauen wir uns also genauer an, was wirklich in den ‚Außenanlagen‘ des neuen Kulturtempels passiert:

Das Louvre-Gelände in Lens wird rundum wie eine befestigte oder von einer Flut bedrohte Stadt von „Toren“ erschlossen. Mächtige, mit Edelstahl bespannte Torflügel öffnen zwischen den betongefassten Enden eines das Gelände umlaufenden Erdwalles (Abb. 4). Die „Porte Bollaert“, der Hauptzugang von Nordosten kommt über eine reizvolle Wegeverbindung unter Bahnanlagen hindurch von den Parkplätzen, die gemeinsam mit dem für die Fußballeuropameisterschaft 2016 gerade in Erneuerung begriffenen Bollaert-Stadion genutzt werden sollen. Diese Route ist auch ein Teil der für Stadtbesichtigungen empfohlenen weiträumigeren Wegeverbindung, die nach Südosten in die Kernstadt und nach Nordwesten zum wichtigsten erhaltenen Bergwerk der Stadt führt (Abb. 5). Dessen restaurierte Anlagen vor dem stadtbildprägenden Doppelkegel zweier glücklicherweise nicht platt gezogenen Abraumhalden firmiert heute unter dem Terminus „Base 11/19“, was die Nummern zweier historischer Lenser Bergwerke aufnimmt.

Stadtbegehung Lens

Abb. 5: Vorschlag zur Begehung von Lens auf Infotafeln, ausgehend vom Bahnhof (rechts) über Bollaert-Stadion und Louvre bis zum Bergwerkskomplex „Base 11/19“ mit den beiden großen Abraumhalten (links)

 

Von jener Porte Bollaert geht man auf einem zweistreifigen, durch einen schmalen Grassaum getrennten Betonweg, wie man ihn etwa von Grenzbefestigungen als Patrouillenpiste her kennt, hohlwegartig leicht hinauf. Die Hänge rechts und links wurden aufmodelliert, wie vereinzelte, von früher erhalten gebliebene Bäume zeigen, für deren tiefer wurzelnden Stamm eine Mulde ausgespart blieb. Am Fuß sind diese wegebegleitenden Hänge durch Holzflechtwerke abgefangen – nur optisch, nicht physisch. Die sind pfiffig als kurze, austausch-bzw. erneuerbare Module gefertigt, die sich einfach auf in den Boden gesteckte Stangen hängen lassen (Abb. 6).

Liegt es an den militärisch anmutenden Elementen Wall, Tor und Betonweg oder ist mir noch unser vorangegangener Besuch auf den belgischen Weltkriegsschlachtfeldern so wahrnehmungssteuernd, dass ich bei diesem flechtwerkbegleiteten Weg an einen Schützengräben denken muss? Im nahen „Ypres Salient“, einer hart umkämpften Ausbuchtung in der deutschen Belgien-Front des ersten Weltkriegs können im sogenannten „Bayernwald“ jene historischen, mit Holzflechtwerk stabilisierten, rekonstruierten Schützengräben besichtigt werden .

Dann öffnet sich ein weiter Blick auf die sich flach durchs Gelände ziehende glänzende Bautenfolge des Louvre Lens. Doch auch hier nimmt ebenso das Geländeumfeld den Blick gefangen: strenge gerade Linien ziehen sich durch die Wiesen und gehen in Betonplacken über, die unregelmäßig vor die Bauten verteilt durch kleine meist nicht ganz geschlossene runde Erdwälle unterbrochen werden. Zwar steht eine Infotafel am Weg, hilft jedoch nicht weiter (Abb. 7). Sie zeigt weder Linien noch Betonflächen, sondern lediglich jene Erdwälle als unregelmäßig geringelte Würstchen und nennt sie in der Legende französisch „canapé“, englisch „grass bank“ und flämisch „zitbank“.

Infotafel Louvre Parc

Abb. 7: Ausschnitt aus der eher abseits aufgestellten Infotafel mit einem Plan des Louvre und seiner Außenanlagen.

 

Diese begriffliche Zuordnung führt enorm und wohl kaum ohne Absicht in die Irre, denn wohlig sitzen kann man auf diesen Kanapees nicht – dies schon deshalb, weil dort, wo Besucher am nahesten vorbeikommen, Bauzäune das Betreten unterbinden. Meist schließen diese kleinen, allmählich begrasenden Erdwälle eine ‚Sitzfläche‘ ein, die aus einem leicht unregelmäßig rund beschnittenen Metallgitter besteht. Mit etwas Unschärfe im Blick wird diese graue, vom Erdwall umgebene Fläche zu einem wassergefüllten Sprengkrater. Auch das lässt sich auf den Erinnerungsplätzen der nahen Weltkriegsschlachtfelder noch entdecken, etwa im „Sanctuary Wood Museum Hill 62“ südlich von Zillebeke nahe Ieper (dem historischen Ypres).

Die meisten Besucher – zumal jene, die als Gruppe an der nahen Busvorfahrt ausgeladen werden – trotten über dies mit seinen Bauzäunen zunächst einfach nur unfertig aussehende Gelände schnurstracks in den Museumseingang. Das sollte man nicht tun, vielmehr den Ideen hinter den Außenanlagen vertieft nachspüren und den Gebäudekomplex umwandern. Auf dessen Rückseite werden dann die ersten Kriegsassoziationen unverkennbar bestätigt, wo sehr viel größere unregelmäßig runde Flächen aus Stahlgitterrosten nicht nur von Erdwällen, sondern vor allem von Sandsackwänden umgeben sind. Die ‚Sandsäcke‘ sind zudem, wie dies etwa in den Gedenkstätten des Atlantikwalls zu besichtigen ist, mit Beton gefüllt. Das war damals eine probate Technik, schnell dauerhafte Schutzwälle zu errichten.

Im südwestlichen, rück­seitigen Außenbereich des Louvre-Komplexes findet sich ferner ein Wasserbecken (Abb. 8). Auch dies ist in der dreisprachigen Legende besagter Infotafel unverfänglich, nämlich als „réservoir“ bzw. „lake“ bzw. „vijver“ bezeichnet. Ein ‚Wasservorratsbehälter‘ für welchen Zweck, ein ‚See‘ zum belanglosen Baden?

Auch hier scheinen die Bezeichner erst einmal in die Irre zu führen, auf subtile Weise den aufmerksamen Besucher irritieren zu wollen. Denn die Wasserfläche hat zwar die rein technisch geprägte rechteckige Form eines Beckens, läuft jedoch auf der dem Louvre zugewandten Schmalseite in das flache Ufer eines Sees aus. In dieser widersprüchlichen Gestalt sieht die Anlage buchstäblich wie der rechteckige (beckenförmige) ‚Ausschnitt‘ aus einem Strand aus. Das lässt an jene flachen weiten Strände der Normandie denken, an denen am 6. Juni 1944 die alliierte Invasion begann. Und so schließt sich auch auf der ‚Strandseite‘ des Beckens eine Reproduktion jener Kraterlandschaft an, auf die das alliierte Bombardement vom Wasser und aus der Luft vor Beginn der Invasion niedergeprasselt war.

Weiter schweift der Blick über kleine Hügel zwischen den Kraterlandschaften der sandhellen Betonflächen, Metallroste, Wälle und Sandsäcke, aus denen blühende Pflanzen wie Zeichen der Hoffnung herauswachsen. Und dann entdeckt man zwischen dieser Natur auch eine Stilisierung von Natur: leuchtend rote Täfelchen auf Stöckchen in der Erde. Mit den Bauzäunen um die Erdwälle am Louvre-Eingang im Hinterkopf sehen diese roten Täfelchen vordergründig vielleicht wie Markierungen noch ausstehender Bauvorhaben im Louvre-Umfeld aus – auch hier also der Schein der Unfertigkeit. Doch dazu sind sie zu unregelmäßig aufgestellt (Abb. 9).

Mit den bereits verdichteten Assoziationen an die Weltkriege hingegen lassen sich diese Täfelchen als nochmalige Stilisierung der bereits stilisierenden (künstlichen) Erinnerungs-Mohnblumen deuten. Diese „remembrance poppies“ gehören eigentlich in eine Tradition der Engländer (und weiterer an den Kriegen beteiligter Commonwealth-Staaten) sowie Belgier, die sich zur Erinnerung an ihre Gefallenen solche Mohnblumen an Gedenktagen ans Revers stecken, weil das die ersten Blumen waren, die wieder auf den verwüsteten Schlachtfeldern aufgeblühten. In Frankreich ist hingegen das Symbol der blauen Kornblume (Bleuet de France) im Gebrauch. Also weist auch in diesem Detail die Außenanlage des Louvre Lens über die Staatsgrenzen, wo auf den Schlachtfeldern des nahen Belgiens noch immer diese Erinnerungsmohnblumen appliziert werden (Bunker auf „Hill 60“ südöstlich von Ieper/Ypres).

Und so umwandert man das aus diesen subtilen Schlachtfeldreminiszenzen grau und doch glänzend herauswachsende, sich wegen seiner Reflexionseigenschaften sowohl mit dem sonnigen wie dem düsteren Himmel nahezu übergangslos verbindende Bauwerk des Louvre Lens auf kraterförmigen Betonflächen und pistenartigen Betonwegen. Die Infotafel im Eingangsvorfeld hält für diese Betonwege in den Außenanlagen nicht einfach den französischen Bezeichner „chemin“ (Weg) bereit, sondern nennt sie hintersinnig „cheminement“, was changierende Bedeutungen zwischen „Dahinwandern“, „Voranschreiten“ und „langsamem Rinnen“ transportiert. Ein dezenter Hinweis darauf, hier historischen Erinnerungen nachzugehen?

Vielleicht ist das alles ‚falsch‘, was ich hier interpretiere, aber ich habe es so gesehen. Und es gibt weitere rätselhafte Elemente, die der Deutung harren, von denen ich hier aber nur noch drei ansprechen will:

Zum einen die Linienstrukturen: Das Umfeld des Louvre Lens ist von einer Art Schraffur überzogen, nicht regelmäßig, eher ein wenig zufällig verteilt und gebogen, aber doch grundsätzlich in Längsrichtung des großen Geländes ausgerichtet. Ein wenig auch in den raren Plänen erkennbar manifestiert sich diese ‚Schraffur‘ weniger in Wegen als in abweichend bepflanzten oder bearbeiteten Grünstreifen. Ein besonders markanter Streifen dieser Art beginnt am Südwesteck von „La Scène“ und führt einen leichten Hang hinauf nach Westen. Er ist mit Metallbändern gefasst, zwischen diesen Begrenzungen sorgfältig gemäht und in einem gekreuzten Betonplacken ergänzend modelliert (Abb. 10). Haben wir es hier mit der Andeutung von sich zäh verschiebenden Fronten und dem willkürlichen Zerschneiden der Länder im Zuge der Kriege zu tun?

Zum anderen die Splittflächen: Von Ferne gleichen sie den ‚Kraterfeldern‘, die aus Metallgittern modelliert wurden. Sie sind ebenso blaugrau, aber aus feinem Splitt angelegt, sorgsam begrenzt, sowohl gegen angrenzende Wiesen als auch Betonplacken. Es gibt zum einen annähernd runde Flächen dieser Art. Diese sind dann deutlich größer als die Gittermetallflächen, aber ebenso von Sandsack- oder Erdwällen umgeben. Vor allem aber sind diese Splittflächen in der Form deutlich differenzierter. Diese finden sich vor allem Süden des Geländes. Eine dieser Formen erinnerte mich an eine Friedenstaube. Vielleicht sind das aber auch nur freie Formen (der Plan zeigt eine solche Form im Übrigen auch für die Cafeteria-Terrasse), die projektiv mit Inhalt gefüllt werden können.

Schließlich jene rätselhafte Lehmmauer. Sie zieht sich zum einen an der Nordgrenze des Geländes gegenüber der dortigen historischen (und restaurierten) Bergarbeiter-Reihenhausanlage entlang bis zur Tiefgarageneinfahrt von „La Scène“, um die sie noch ein Tor formt. Sie folgt zum anderen etwas weiter innen ein Stück weit dem Zugangsweg von der Porte Bollaert bis zur Grenze zwischen dem runden Restaurantbau und dem runden Hain mit Minenschacht. In diesem Abschnitt erscheint die Lehmmauer von Norden (und damit vom Zugangsweg her) recht flach, von der anderen Seite (Buszufahrt) zeigt sie sich jedoch deutlich höher, weil ihr ein Graben vorgelagert wurde, als handele es sich um ein uralte Verteidigungsanlage. Zudem sind – und hier koppeln sich die Materialien –  die Deckseiten dieser Lehmmauern mit jenem grauen Kies eingestreut, der bereits die angesprochenen differenziert gestalteten Bodenflächen füllte.

Diese und andere Geheimnisse möge der aufmerksame Besucher des Louvre Lens selbst zu entschlüsseln suchen. Es gibt weder Informationsflyer noch Pläne, die dabei helfen können. Sofern man überhaupt irgendwo Pläne der Außenanlagen findet, passen diese nicht zur Realität. Dies gilt für den SANAA-Plan, der in schlecht bis sehr schlecht aufgelösten Versionen durchs Web geistert (Abb. 11). Und das gilt auch für die Informationstafel in der Nähe des Zugangs über die Porte Bollaert, die von der Beschrif­tung her ein „Plan du parc et du Musée du Louvre-Lens“ sein will – auch hier wieder der Kitzel, der Authentizität suggeriert. Über die besagten Ringel jener „Canapés“ und ein gekringeltes Wasser­becken hinaus ist der Informationstafel aber nichts zu entnehmen. Die Lage der unregelmäßigen Krater­land­schaften ist nur mit einem regelmäßigen Punkteraster angedeutet, die ‚Krater‘ sind zudem leicht mit den eingetieften Näpfchen zu verwechseln, die nach der Legende allerdings für erhabene „ARBRES | TREES | BOMEN“ stehen sollen. Auch die ‚Schraffur‘ oder die erwähnten Kiesflächen sieht man hier nicht.

Es gibt also nichts, was einem leicht und anstrengungslos hilft, diese geheimnisvolle ‚Außenanlage‘ zu verstehen. Auch deshalb ist das Louvre Lens eine Reise wert.

 

MS Juli 2015

 

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Bildergalerie zur Geschichte von Lens in den Weltkriegen

Die nachstehende Bildergalerie veranschaulicht einige der Assoziationen, die beim Begehen der ‚Außenanlagen‘ des Louvre Lens im Kopf entstehen, wenn man zuvor die Weltkriegsschlachtfelder Belgiens und Nordfrankreichs besucht hat.

Die Schlachten des ersten Weltkriegs im Ypres-Salient sind ausführlich und sorgfältig dokumentiert auf www.greatwar.co.uk/battles. Dort finden sich auch detaillierte Hinweise zu einzelnen Orten, etwa eine vollständige Übersicht über die unzähligen Soldatenfriedhöfe in dieser Region auf www.greatwar.co.uk/places.